Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
mehr als vier Jahrhunderte hin etablierte Gegnerschaft zwischen märkischem Adel und märkischem Bürgertum diesem alten Anti-Quitzowgefühl immer wieder neue Nahrung zugeführt und dies Gefühl dadurch immer aufs neue belebt hätte. Ob unser Bürgertum dabei regelmäßig im Recht und unser im schlimmsten Fall ein gewisses Überlegenheitsgefühl herauskehrender Adel immer im Unrecht gewesen ist, ist mir zweifelhaft, aber desto zweifelloser ist es mir, daß der märkische Bürgerliche seiner märkischen Adelsantipathie durchaus Herr werden muß, wenn er vorhat, märkische Geschichte zu schreiben. Dies ist aber unserem Riedel nicht gelungen. Ein sein Urteil schädigendes bürgerliches Parteigefühl, das durch Verbeugungen gegen die Hohenzollern und ein unausgesetztes Auf-ihre-Seite-Treten an Freiblick nicht gewinnt, durchdringt seine ganze Darstellung und macht ihn trotz wundervoller Einzelkenntnis der von ihm beschriebenen Zeit unfähig, diese Zeit von einem höheren Standpunkt aus zu betrachten. Er übersieht, auf Prinzip und Politik hin angesehen, daß alles, was damals einen vornehmen Namen und ein gesellschaftliches und moralisches Ansehen in der Mark Brandenburg hatte, den Standpunkt der Quitzows teilte, was doch, wenn er nicht gewillt ist, den gesamten damaligen Adel für eine zufällig mit Machtbefugnissen ausgestattete Räuberbande zu halten, einer Rechtfertigung der Fronde ziemlich gleichkommt. Er übersieht des weiteren, daß die Kriegführung der Mecklenburger und Pommern-Herzöge, vor allem die des Magdeburger Erzbischofs , um kein Haarbreit anders war als die der Quitzows und ihres Anhangs, und übersieht zum dritten, daß alle die Genannten, wenn es ihnen paßte, sich nicht nur direkt der Quitzowschen Kriegskunst und Kriegstapferkeit, sondern auch der Quitzowschen Kriegsführungs formen , also, wenn man so will, des Räuberstils bedienten. Einer wie der andere. Dies sind die Gründe, die mich in diesem Streite auf Raumers Seite treten lassen. Bei Riedel nimmt das Bürgergefühl Anstoß an der Adelsüberhebung und ficht doppelt sicher hinter dem Schilde der Loyalität. Raumer steht drüber, Riedel steckt drin. Er ist der Rat von Heilbronn, der über den gefangenen Götz von Berlichingen zu Gerichte sitzt.
13. Kapitel
Dietrich von Quitzow auf Rühstädt, von Landsknechten erschlagen am 25. Oktober 1593
Die Quitzowfamilie tritt mit den Brüdern Dietrich und Johann von Quitzow vom historisch-politischen Schauplatz ab und findet von 1417 (Dietrichs Todesjahr) beziehungsweise von 1437 (Johanns Todesjahr) an keine Gelegenheit mehr, in die Landesgeschichte bestimmend einzugreifen. Aber wenn es der Familie seitdem versagt blieb, Mittelpunkt großer und allgemeiner Interessen zu sein, so blieb sie doch in ihrem engeren prignitzischen Kreise durch alle Jahrhunderte hin ein Gegenstand der Aufmerksamkeit und Teilnahme. Zu keiner Zeit mehr als im Jahre 1593, wo Dietrich von Quitzow auf Rühstädt in dem benachbarten, dem Havelberger Bistum zugehörigen Dorfe Legde von Landsknechten erschlagen wurde.
Der Hergang, der bis diesen Tag in der Gegend fortlebt, war der folgende.
Landsknechte, fünfzig oder sechzig Mann stark, die, sehr wahrscheinlich aus kurfürstlichem Dienst entlassen, auf dem Wege nach ihrer harzisch-halberstädtischen Heimat waren, waren am 25. Oktober 1593 unter Führung ihres Hauptmanns Jürgen Hanne (der ein Weib und zwei Söhne, zehn- und siebenjährig, hatte) bis nach Rühstädt gekommen und hatten hier nicht nur geplündert, sondern sich auch allerhand Ausschreitungen erlaubt. Dietrich von Quitzow, der, in seiner Eigenschaft als Gutsherr, vielleicht imstande gewesen wäre, dem Unfuge zu steuern, war abwesend, und zwar in Glöwen, wohin er sich, um an einer Jagd teilzunehmen, begeben hatte. Die Rühstädter, in ihrer Angst und Bedrängnis, schickten Boten über Boten, die nicht nur das Geschehene vermeldeten, sondern auch um schleunige Rückkehr und Hülfe baten, eine Bitte, die Dietrich von Quitzow zu erfüllen nicht säumte. Er verließ auf der Stelle die Glöwener Jagd, außer von einem Diener nur noch von einem jungen von Restorf begleitet, der in einem Lehnsverhältnis zu den Quitzows stand, und ritt auf das anderthalb Meilen entfernte Rühstädt zu. Legde war halber Weg. Als er das große, reiche Bischofsdorf (Legde) passieren wollte, traf er allhier die Landsknechte bereits vor, die mittlerweile das Quitzowsche Rühstädt verlassen und ihren Plünderzug auf Legde zu
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