Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Quitzow nur deshalb in Paris studiert habe, um ein Bistum zu erlangen, da die Familie gehofft habe, auf diese Art Kurfürstentümer und ganze Länder an sich zu bringen. Wer dies liest, wird unmöglich glauben, daß so hochstrebende Ritter, ausgezeichnet an Geist und Vermögen, in dem Berauben einzelner Kaufleute einen schmählichen und unbedeutenden Vorteil gesucht haben sollten. Wusterwitz widerlegt sich denn auch selbst, indem er die Quitzowfehden einzeln aufführt, aus deren Ausführung unwiderleglich hervorgeht, daß es nur ehrliche Fehden gegen benachbarte Fürsten: die Herzöge von Mecklenburg, Sachsen und Pommern, gegen den Erzbischof von Magdeburg, gegen den Grafen von Schwarzburg, gegen die Städte Berlin und Brandenburg und gegen den Abt von Lehnin, waren, ja, er gibt sogar die Veranlassung zu einigen dieser Fehden an, welche es wenigstens zweifelhaft läßt, auf wessen Seite das Recht gewesen ist, zumal, wenn man dabei die augenscheinliche Parteilichkeit der Wusterwitzschen Darstellung in Betracht zieht. Wusterwitz behauptet zum Beispiel, daß Dietrich von Quitzow die Stadt Berlin ohne ›Entsagung‹ angefallen habe, allein im Laufe seiner Erzählung zeigt sich, daß er einen Anspruch an dieselbe hatte, weil sie ihm die Bezahlung eines versprochenen Schutzgeldes verweigerte. Daß der Übermut die Quitzows zu Ungerechtigkeiten verleitete, mag sein, aber keine Handlungen kann ihnen die Geschichte nachweisen, die die Ritterehre verletzt hätten.«
Soweit Raumer (den wir hier auszugsweise zitiert haben) über die Quitzowschen »Räubereien«. Aber auch den Vorwurf der Felonie will er nicht gelten lassen, und so fährt er denn fort:
»… Was zweitens die Beschuldigung der Widersetzlichkeit, der Rebellenschaft angeht, so sind auch hierbei die Zeitverhältnisse niemals gehörig berücksichtigt worden. Wie war die Sachlage? Von allen Seiten fielen die Nachbarn ein: die Pommern rissen die Uckermark, die Herzöge von Mecklenburg die Prignitz, der Deutsche Orden die Neumark ab, und gewiß wäre die ganze Mark eine Beute angrenzender Fürsten geworden, wenn nicht die Landeshauptleute der Altmark, Prignitz und Mittelmark: Hüner von Königsmarck, Kaspar Gans zu Putlitz und Lippold von Bredow , Widerstand geleistet hätten. Als endlich im Jahre 1411 die Mark an Kaiser Sigismund zurückfiel, zeugt es gewiß von der patriotischen Denkungsart des Landeshauptmanns von Putlitz, daß er sogleich nach Ungarn eilte, um den Kaiser zu bewegen, selbst die Regierung in die Hand zu nehmen, und es mußte ihn wohl schmerzen, als er dort erfuhr, daß das Vaterland von neuem an einen ihm ganz fremden entfernten Fürsten verhandelt werden sollte . Nachdem der Burggraf im Jahre
1412 in
die Mark gekommen war, suchte der Adel, obwohl ungern, sich anfangs mit ihm gütlich zu setzen, allein noch in demselben Jahre entspann sich ein Zwist, welcher bald zu einem offenen Kriege aufloderte. Die Ursache der Abneigung mochte wohl mit darin liegen, daß der mächtige Adel, der während des letztverflossenen Jahrhunderts sich daran gewöhnt hatte, den Herrn im Lande zu spielen und seine Rechte ohne Rücksicht auf einen Höheren zu verfolgen, sich nicht gern durch einen Fürsten beschränken lassen wollte, dessen Energie er bald erkannt haben mochte, allein andererseits war sein Mißtrauen, daß der fremde Fürst den einheimischen Adel unterdrücken und den Franken den Lohn und die Ehre der Regierung der Mark zuwenden werde, nicht ungerecht. Zudem, mußte die Ritterschaft nicht mit Grund vermuten, daß der Pfandinhaber, sobald er zu seinem Gelde gelangt wäre, das Pfandstück aufgeben werde? Patriotische Besorgnisse dieser Art darf man bei einem Kaspar Gans zu Putlitz wohl voraussetzen. Unmöglich kann man der Ritterschaft ein Verbrechen daraus machen, daß sie 1412 die lange Reihe glorreicher Regenten nicht voraussah, welche der neue Verweser durch die göttliche Vorsehung bestimmt war der Kurmark zu geben. Alles das muß in Erwägung gezogen werden, ehe man über den nicht einem alten angeborenen Fürsten, ja nicht einmal einem eigentlichen Landesherrn, sondern nur einem Pfandinhaber entgegengesetzten Widerstand urteilen will. Die Rede, die die Quitzows geführt haben sollen: ›Und wenn es ein Jahr lang Nürnberger regnete, sie wollten doch ihre Schlösser behalten‹, zeugt zwar von großem Übermute, macht sie aber noch nicht zu Hochverrätern, denn der eigentliche Kurfürst und Landesherr, gegen den ein crimen laesae majestatis begangen
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