Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Clara. Möchte sie mir doch antworten. Sie ist mein Gedanke bei Tag und Nacht. Im Traume umgaukelt sie mich. Liege ich abends so wachend auf meiner Pritsche, so ist es oft, als stände sie vor mir und lächelte mich freundlich an.
Sehnend breit ich meine Arme
Nach der Teuren Schattenbild,
Ach, ich kann es nicht erreichen,
Und das Herz bleibt ungestillt.
Wenn Du, lieber Vetter, mir von ihr einen Brief senden könntest, ich würde vielleicht schon aus Liebe wahnsinnig. Es ist doch ein köstlich Ding, daß wir uns so unterhalten können. Ja, ja, die Liebe und die Not sind erfinderisch, und wer weiß, wie es stünde, wenn dies nicht wäre. Benachrichtige mich doch offen, was die Leute so über meine Bestrafung sprechen. Ob der Entschluß in mir oder bei andern gereift ist und ob ich freiwillig oder durch das Los zum Mörder wurde, darüber laß mich schweigen, und auch Du schweige gegen andre . Nun lebe wohl, schreibe bald und sei nicht so kurz mit Deinen Worten; Du schreibst fünf Zeilen und ich Dir immer ellenlange Briefe. Laß ja den Schlüssel machen; siehe Dich aber mit dem Schlosser vor, er muß Dich entweder genau oder gar nicht kennen.
Dein Emil.
III
Um die Mitte Januar bricht die Korrespondenz ab, um erst zwei Monate später wieder aufgenommen zu werden. Ob hier Briefe fehlen oder ob einfach die Wachsamkeit eine größere geworden war, läßt sich aus der Korrespondenz selbst nicht entnehmen. Diese wird immer äußerlicher und zum Teil auch zynischer, je näher die Katastrophe rückt, was unerklärlich wäre, wenn man nicht annehmen müßte, die Hoffnung auf Begnadigung habe ihn bis zuletzt begleitet. Ich lasse nun wieder die mit dem 10. März aufs neu beginnenden Briefe sprechen.
Adalbert von L. an E. von Arnstedt
10. März 37
Lieber Arnstedt. Gott sei Dank, endlich mal wieder etwas von Deiner lieben Hand. Meine Freude beim Anblick Deiner letzten Zeilen war unaussprechlich. Du verlangst einen ausführlichen Bericht, und ich versuch es. Mit Deiner lieben Mutter und Deiner schönen, Dir sehr ähnlichen Schwester waren wir am Abend vor Deiner Abreise (dies ist unverständlich) recht vergnügt bei Landvogts; Dein Schwesterchen war etwas angetrunken und daher sehr liebenswürdig und heiter. Auch von Clara, so verlangst Du, soll ich Dir schreiben. Nun, ich darf Dir der Wahrheit gemäß versichern, daß sie Dich liebt und immer lieben wird. Unsre Gespräche haben nie einen andern Gegenstand als Dich, und Du erfüllst ihre ganze Seele. Nur einmal hat sie mich geärgert: als ich ihr Deinen Brief gab, hat sie diesen Brief an Kirchner gezeigt. Neulich, auf dem Beamtenvereine, haben wir uns ziemlich amüsiert; die Stelle dicht an der Tür, wo Du mit Clara das letzte Mal gesessen, wird jetzt immer von uns eingenommen, weil sie ihr die liebste ist. In der Loge war ich auch neulich. Franziska wird jetzt von einigen Dragonerfähnrichen becourt; zugleich macht sie Gedichte an Dich.
Ewig wird die Freundin Dich lieben,
Mit Dir sterben will sie, bei Dir ruhn.
Immer mag die Welt mich auch darum verdammen,
Leben kann ich ohne Dich nicht mehr.
Nur um eine Zeile von Ihrer Hand bittet Franz…
(Darunter hatte von Arnstedt mit Bleistift geschrieben: äußerst dumm.)
Es ist alles weder gehauen noch gestochen, doch es sind ja Verse. Woher weißt Du, daß ich jetzt einen kurzen schwarzen Samtrock habe? Tanze nur fleißig schottisch, damit Du doch etwas Bewegung hast. Schreibe mir auf die Rückseite dieses Briefes. Dein treuer Vetter A. L.
Dein treuer Vetter A. L.
Arnstedt antwortete denselben Tag noch (10. März) und schrieb, wie proponiert war, auf die Rückseite des Briefes .
Mein lieber guter schwarzröckiger Vetter. Daß Du einen schwarzen Samtrock hast, habe ich längst gewußt, aber das ist neu, daß ich Dich vielleicht nächstens darin sehen werde. Ich habe nämlich Hoffnung, als »Staatsgefangener« nach Magdeburg zu kommen; ist das aber der Fall, so werde ich mit Extrapost fortgebracht. Da können wir uns dann möglicherweise sehen und sprechen; man muß nur alles ausspekulieren und pfiffig sein. Was hat denn Kirchner zu dem Briefe gesagt? Ihr werdet mich übrigens sehr verändert finden. Mein Haar umhüllt mich wie ein Mantel, und mein Bart hängt bis zur Erde, denn es sind jetzt runde funfzehn Wochen, daß ich eingesperrt wurde. In zwei bis drei Jahren hoff ich wieder frei zu sein; kann und darf ich dann in unserem Heere nicht fortdienen, so ist Rußland oder Griechenland mein Asyl. Aber erst
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