Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Lebe wohl.
Adalbert von L. an Emil von Arnstedt
3. Januar 37
Mein lieber Arnstedt. Von Clara soll und will ich Dir schreiben. Ja, sie liebt Dich noch mit der Liebe, wie sie Dich stets geliebt hat, und Deine Locke trägt sie beständig auf ihrem Herzen. Sie lebt nur für Dich; auf dem Beamtenverein sprachen wir nur von Dir, und heut noch gehe ich zu ihr, um sie zu einem Briefe zu vermögen. Es war am Sylvester wenig los auf dem Verein, nur ungefähr zehn bis zwölf tanzbare Damen; ich habe mit Clara den Cotillon getanzt und, wie gesagt, nur von Dir gesprochen. Als ich nach Frankfurt zurückkam, hörte ich gleich, daß Du im Gefängnis ungeheuer becourt worden wärest; aber Du hast auch wirklich die ganze Damenwelt auf Deiner Seite. Wenn Deine Richter Damen wären, so würdest Du gewiß freigesprochen und noch obenein General. Deinem vis-à-vis traue ich nicht; sprich nicht davon, daß ich mit Dir korrespondiere. Wenn Du heraus könntest, fast glaub ich, ich würde Dich wegbekommen. Überlege Dir die Sache und schreibe mir darüber. In der Stadt geht das Gerede, ich korrespondierte mit Dir und sollte deshalb festgenommen werden; es ist aber nichts, und ich mache mir auch nichts daraus. Nimm Dich nur in acht, daß Du nicht schlecht dabei wegkommst, denn der alte Oberst von Werder sieht mir höllisch auf die Finger und sitzt jetzt den ganzen Tag am Fenster. So weit schrieb ich heute vormittag; jetzt kann ich Dir auch etwas von Clara erzählen. Ich fuhr sie heute Pikschlitten, und ich hoffe von meiner Überredungskunst das Beste. Es würde mich glücklich machen, wenn sie Dir ein paar Zeilen schriebe. Mein lieber Arnstedt, bist Du in Deinem Briefe auch ganz offen gegen mich gewesen? Hast Du wirklich ganz allein den Entschluß gefaßt? Ich nehme zwar nicht an, daß Du eine Verbindung mit andern in dieser Hinsicht gehabt hast, aber wenn es wirklich so sein sollte, so rette uns Dein teures Leben . Du hast vielleicht Dein Ehrenwort gegeben; es ist so, nun gut, in Amerika, wenn Du loskämest, weiß niemand etwas davon, und Du stehst so gut als Ehrenmann da wie jeder andre. Glaube mir, meine einzige Bitte zu Gott ist jetzt Dein Leben, und wenn alle die Gebete erhört werden, welche dafür zum Himmel emporsteigen, so wirst Du gewiß erlöst. Verzweifle nur nicht, stelle Dich wahnsinnig, aber werde es nicht. Kann ich Dir in sonst etwas dienen, so sprich es aus. Alles, was ich tun kann, tu ich gewiß mit Freuden. Tu nur keinen übereilten Schritt; Dein Entschluß, nicht auf dem Schafott zu sterben, ist Dir von Gott eingegeben . Ich könnte nicht leben, wenn ich Dich hinrichten sähe.
Dein A. von L.
Emil von Arnstedt an Adalbert von L .
12. Januar 37
Mein guter lieber Adalbert . Meine Flucht aus dem Kerker, auf die Du hinweist, ist kinderleicht; bedenke aber dann weiter. Ich bin hier entblößt von allen Mitteln, zur Reise braucht man Geld, auch müßt ich von Kopf bis Fuß anders gekleidet werden. Die Sache ist also kostspielig, und ich kann von Dir solches Opfer gar nicht annehmen. Reißen aber alle Stränge, so muß Rat geschafft werden, auch Geld, es mag kommen, woher es will, und wenn ich mich dem Satan verschreiben sollte. Ich warte mit Schmerzen auf die Rückkehr meiner Mutter (wahrscheinlich von Berlin , wo sie dem König ein Gnadengesuch überreichen wollte), von der hängt viel ab. Fällt das Resultat glücklich aus, so bleib ich vernünftig, wo nicht , so werd ich wahrscheinlich wahnsinnig, und dann fang ich damit an, daß ich alles kurz und klein schlage. Ich werde meine Rolle schon spielen. Du mußt mir jedesmal schreiben, wann Du meinen Brief erhalten hast, und das Datum darauf setzen. Ich schicke Dir Deine Briefe mit; Du hebst sie mir auf, daß, wenn ich sie fordere, Du sie mir geben kannst. Verwahre die von mir geschriebenen so, daß, wenn man bei Dir nachsuchen sollte, man keinen findet. Ich schicke Dir hier einen Brief an meine liebe Cl. mit; ich überlasse es Deinem Gutachten, denselben abzugeben oder nicht. Zugleich liegt hier die Zeichnung zu dem Schlüssel meiner Ketten bei, zur Flucht muß ich sie lösen; habe ich aber den Schlüssel nicht , so muß ich das Schloß zerbrechen, was mich verraten möchte. Kannst Du mir nicht diesen Schlüssel machen lassen? In diesem Falle benachrichtige mich, wenn er fertig ist. Das Weitere sollst Du dann hören… Ach, wenn ich Dir doch mit Worten schreiben könnte, welche Freude ich über Deinen Brief empfand! Im Vertrauen auf diesen Brief schrieb ich an
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