Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
die in Glogau zugetragen. Der Tambourmajor eines badenschen Regiments hatte sich mit einem Franzosen geschlagen und diesem derart zugesetzt, daß er niederstürzte. Darauf sind mehrere Franzosen über den Tambour hergefallen und haben ihn, wie es heißt, totgestochen. Dies wurde selbstverständlich von den badenschen Soldaten sehr übel genommen, die sich nun zusammenrotteten. Eine Schlägerei entstand, Gewehr und Bajonette sind in Gang gekommen, und als man endlich Frieden gestiftet hatte, zählte man siebzig Tote und Blessierte, unter denen sogar Offiziere sein sollen. Man erschrickt, wenn man sieht, daß alle Ordnung sich auflöst und überall nur das Recht des Stärkeren gilt. Es soll der sächsische Graf Einsiedel sein, der einen französischen General, man sagt Reynier, vielleicht einen Bruder des Corpskommandeurs, zu Warschau totgeschossen hat.
L., 23.Juni 12
Zwischen Kyritz und Wusterhausen hat sich am 14. d. M., um neun Uhr abends, ein sonderbarer Vorfall ereignet. Ein wohlgekleideter Reisender, der zu Fuß nach Kyritz ging, wurde auf der Landstraße von vier Kerls angegriffen, von denen zwei mit Säbeln und die beiden andern mit dicken Prügeln bewaffnet waren. Gegen diese wehrt er sich und ruft um Hilfe. Ein des Weges gehender invalider Gardejäger, mit Namen Romanus, eilt herbei und schlägt auf die Mörder so gewaltig los, daß diese die Flucht ergreifen. Romanus hat vier Hiebe in seinen Tschako und einen am Kopfe bekommen, jedoch nicht gefährliche. Der Reisende hat seinen Namen dem Romanus nicht sagen wollen, sondern nur erklärt, »er sei der Graf von G.,« hat dann dem Romanus freundlich gedankt und ihm seine Börse angeboten, die dieser jedoch nicht hat annehmen wollen. Am anderen Tage hat man, nicht weit vom Kampfplatz, ein an den Kommandeur der Invalidencompagnie, bei welcher Romanus steht, gerichtetes und an einem Baum befestigtes Blatt gefunden, worin um Bekanntmachung der edlen Tat des Romanus in einem sehr gebildeten Stil gebeten wird. Auch dieses Billet war unterzeichnet Gr. von G. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es der Graf von Gottorp, der, nachdem ihn die Herrnhuter in Gnadenfrei nicht haben aufnehmen wollen, nun, um nicht bemerkt zu werden, zu Fuß reist. Wohin, das mag nur er wissen. Sollten ihm nicht auch Spione nachgeschickt sein, um ihn gelegentlich aus der Welt zu schaffen? War es doch in derselben Gegend in der Nähe von Perleberg, wo, vor fünf Jahren, ein englischer zurückreisender Gesandter (Lord Bathurst) verschwand.
L., 1. Juli 12
Gestern kam das 4. Westfälische Regiment hier durch, zum Teil bloße Jungen. Unser benachbartes Bergsdorf hat davon eine Compagnie futtern müssen. Sie eilen nach Stralsund, weil man französischerseits in der Furcht ist, daß die Engländer es besetzen möchten. Übrigens hab ich Dir aus Bergsdorf noch zu berichten, daß Knorrs Bruder, als er einen großen Stein einsenken wollte, durch ebendiesen Stein totgequetscht worden ist. Wenn man diesen doch über den Niemen senden und an richtigem Ort und, versteht sich, zu gleichem Zweck aufstellen könnte.
L., 7. Juli
Wenn Ochsen sich zu wundern imstande wären, so würden die illyrischen sich wundern, die heute hier, der Großen Armee nach, vorübergetrieben wurden. Unser Vieh, soviel wir dessen noch haben, zieht desselben Weges. Dazu wird selbstverständlich Roggen, Hafer, Heu und Stroh verlangt; von den beiden letzteren Artikeln ist nichts mehr vorhanden. Auch in Preußen oben geht alles über Bord. Auf Onkel Kalcksteins Gut hat die Einquartierung neunundvierzig Ochsen und sieben Kühe weggefressen. Alle guten Pferde waren auf Vorspann mitgeschleppt, und ob sie zurückkommen, ist mindestens zweifelhaft.
L., 10. Juli 12
Wie die Bedrückung des Menschengeschlechts von der Vorsehung so lange geduldet werden kann, ist mir ein Rätsel, und fast möcht ich sagen, wie Prediger Krause neulich zu Aschof sagte: »Freund, hätt ich nicht noch einige Nebengründe, um an die Vorsehung zu glauben, so müßt ich daran verzweifeln.« Der Wunsch, die Bedrücker vernichtet zu sehen, äußert sich in Berlin so laut, daß sich die Polizei gezwungen sah, derartig öffentliche Äußerungen mit harter Gefängnisstrafe zu bedrohen. Den Mund kann man dadurch zum Schweigen bringen, aber das Gefühl nicht. – In Ostpreußen geht es viel toller her als hier; im übrigen ist auch hier des Lieferns und Fuhrwerkstellens kein Ende. Stelle Dir vor, daß täglich über hundert Wagen in Berlin in
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