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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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einfach das »Ungeld« gewesen war, sank nun zum alten Ungeld herab, als welches es in die Reihe der Ausspannungen und Bierschänken eintrat.
    All dies trat erst andern Tages mit historischer Gewißheitan mich heran, aber mehr als alle »Führer durch Prag« mich wissen lassen konnten, trug ich bereits in ahnendem Gemüth, während ich rittlings auf meinem Stuhl die Nacht durchwachte. Aus den aufgethürmten Bettmassen, deren Roth trotz aller Dunkelheit mir vor den Augen stand, stiegen immer neue Herzöge auf, Wenzeslav, Boleslav, Wratislav, die Einen mit breiten Wunden auf der Stirn, die Andern mit tiefen Wunden in der Brust.
    Endlich dämmerte der Tag; noch eine kurze halbe Stunde und die ersten Sonnenstrahlen fielen über den Dachfirst des Hauses gegenüber, mitten in unser Zimmer hinein. Unsere Schläfer schüttelten den Schlaf ab und durch das schnell geöffnete Fenster drang nun die Morgenfrische und ließ uns fast vergessen, daß wir im »alten Ungeld« waren. Aber wir sollten bald daran erinnert werden. All die Nacht über hatten draußen auf dem Korridore unsagbar dunkle Wetter gebraut und eine dichte Wolke gezogen zwischen uns und der Welt. Ein erster Versuch, diesen Dunstkreis zu durchbrechen, war eben so gewiß gescheitert, wie er in ahnungsloser Unbefangenheit unternommen worden war. Und doch mußten wir hindurch, es koste, was es wolle. Wir waffneten uns also und wie bei Feuersbrünsten alle diejenigen, die innerhalb eines brennenden Hauses retten wollen, zuvor um einen kalten Ueberguß bitten, um der leckenden Flamme wenigstens einen kurzen Widerstand entgegensetzen zu können, so traten wir jetzt an das offene Fenster, thaten drei volle Züge, füllten unsere Lungen, gleichsam wie auf Vorrath mit Luft und brachen nun, unter kurzem Spruch und Anruf, durch die Malaria des Korridores durch.
    Es glückte. Unten fanden wir die Schließerin; aber besser als das, wir fanden auch einen Kameraden vomTag zuvor, der schon vor uns die rothen Betten abgeschüttelt und in der Nachbarschaft erfolgreich rekognoszirt hatte. »Sieg!« so rief er uns zu, »Quartier im goldenen Engel.«
    Das war eine Botschaft! Das letzte Wort, wie in Huldigung gegen den Sprecher, hallte von dem gewölbten Thorweg des »alten Ungeld« zurück.

IV Prag
     
    Wir zogen nun also in den »goldenen Engel«, wo wir am Abend zuvor abgewiesen worden waren, erhielten ein gutes Quartier und feierten unsere Ankunft dadurch, daß wir den Prozeß des Aus- und Anziehens noch einmal durchmachten, um wenigstens nach Möglichkeit Alles zu beseitigen, was vom »alten Ungeld« her noch an uns und um uns geblieben sein mochte. Dieser Prozeß war zum Theil rein symbolischer Natur; er hatte aber auch seine materielle Berechtigung, da wir uns in Ermangelung von Krügen und Karaffen, die schlechterdings nicht zu beschaffen waren, mit zwei Seideln Wasser hatten begnügen müssen.
    In jener gehobenen Stimmung, wie sie bei dem Kulturmenschen aus dem Bewußtsein reichlichen Wasserverbrauches auftaucht, erschienen wir (es mochte inzwischen neun Uhr geworden sein) im Frühstücks-Salon. Ein Sherry mit Sodawasser – das ich als Vorläufer eines guten Morgenkaffees hiermit dringend empfehle – schwemmte den letzten Rest erlittener Unbill hinweg. Man war wieder man selbst. Selbst die Gegenwart einiger National-Böhmen, die in ihren schwarzen Pikeschen mit Stehkragen und zahllosen Knöpfen und Häkchen (statt der Knopflöcher) zu uns herübersahen, konnte uns in dieser wohligen Betrachtung nicht stören. Wir setzten uns an das breite, großscheibige Fenster und freuten uns des bunten Treibens, das in der Richtungnach der inneren Stadt zu, an uns vorüberwogte. Einzelnes Landvolk zeigte sich, das meiste aber, was kam und ging und durch die engen Gassen drängte, das war nicht czechisches Landvolk, das waren preußische Landsleute, Truppen von allen Armee-Corps und Regimentern, namentlich Garden. Vierzehntausend Mann (ich erwähnte dessen schon) waren eingerückt und eine gleiche Anzahl kündigte sich bereits durch ihre Quartiermacher an. Diese Quartiermacher, in Trupps zu acht und zehn Mann, erschienen auf requirirten Wagen, hielten vor unserm Hotel, meldeten sich oder nahmen einen Imbiß und fuhren weiter, die gefürchteten Zündnadelgewehre leicht in den linken Arm gelehnt.
    Unter diesen Quartiermacher-Trupps war mir einer von besonderem Interesse. Die Mannschaften waren abgestiegen, nur zwei hielten Wache, während die Zügel nachlässig in den Händen eines zwölf-

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