Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
berühmten Brückenthurm, endlich die Nepomuck-Brücke selbst, um schließlich auf der Höhe des Königlichen Hradschin zu rasten und von diesem Königshorste aus auf die Moldau und das »hundertthürmige Prag« herniederzublicken.
Wer wollte leugnen, daß die Bilder, die sich auf solcher Fahrt dem Blicke darbieten, mit zu den schönsten zählen, die sich dem Auge überhaupt erschließen können, dennoch scheint nur der Ausdruck Göthe’s gewagt, der Prag »den kostbarsten Stein in der Mauerkrone der Erde« nannte. Darin freilich hatte er Recht, daß er es in erster Reihe als eine Königliche Stadt bezeichnete. Das ist es in der That. Aber manches andre ist es nicht . Dominirende Höhen, die mit Thürmen und Palästen besetzt, auf eine am Flußufer sich hinziehende, weit ausgedehnte Stadt herniederblicken, werden dieser immer mehr oder weniger einen vornehmen, einen Königlichen Charakter verleihen, aber um eben diese Stadt zu einem »kostbarsten Stein in der Mauerkrone der Erde« zu machen, dazu gehört noch ein Mehreres, dazu gehört, neben einer gewissen großartigen Mitgift von Natur aus, die Prag unbedingt hat, auch noch eine Fülle von Menschenwerk und an dieser menschlichen Zuthat ist hier ein empfindlicher Mangel. Die Art, wie die Stadt,als ein Ganzes genommen, sich anlehnt und aufbaut, mit andern Worten, die Wahl und architektonische Benutzung des Terrains (alles Dinge, die um tausend Jahre zurückliegen) sind mustergültig und bezeugen einen großen Sinn, aber das, was sich anlehnt , die hundert und tausend Einzelheiten, die die Stadt bilden, diese entbehren nicht nur vielfach der Schönheit, sondern – was wichtiger ist – lassen auch vielfach das spezifisch Malerische vermissen. Der Stolz Prags – und mit Recht – ist seine pittoreske Großartigkeit, aber ein glücklicheres Streben nach dem Schönen, ein feineres Auge, eine geschmackvollere Hand, würden, wenn nicht die Großartigkeit überhaupt, so doch speziell die pittoreske Großartigkeit der Stadt gesteigert haben. Nach dieser Seite hin fehlt viel. Es tritt dieser Mangel hervor, wenn man von dem Hradschin aus auf die Altstadt hernieder blickt, er wird aber noch fühlbarer, wenn man umgekehrt von der Altstadt zu dem Hradschin hinauf und hinüber sieht. Der Blick auf die Stadt hinunter läßt Schönheit der Architektur (beispielsweise der Kirchen) vermissen, verfügt indessen über großen malerischen Reiz; der Blick zu dem Hradschin hinauf , entbehrt, soweit die Architektur dabei in Betracht kommt, auch dieses Vorzugs. Die Burg, die sammt einer Anzahl von Palästen, die Hradschin-Höhe krönt, wirkt durch endlose, unprofilirte Fensterreihen nüchtern, langweilig, monoton, und auch der Ausbau des Landschaftlichen , wenn dieser Ausdruck gestattet ist, ist nicht das, was er sein könnte. Es fehlt diesem berühmten Hradschin an Grün, an Farbe, an lebendiger Gliederung, und während er einzig dastehen, und in der That der »kostbarste Edelstein in der Mauerkrone der Erde« sein könnte, wenn die auf ihm begonnene, leider Bruchstücke gebliebene großartigegothische Architektur (der Dom) das ganze Hochplateau überdeckte, so ist er durch die charakterlosen Flachbauten, die jetzt seine Höhe beherrschen, um das Vollmaß, seiner Schönheit, um die Hälfte seines Ruhms gekommen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es eine Zeit gab (etwa zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts), wo Prag schöner war als jetzt , wo die Stadt selbst weniger die Spuren des Verfalls und der Hradschin weniger den Stempel des Kasernenhaften trug; aber diese Tage liegen weit zurück.
Noch ein Wort über die Kirchen. Ich deutete schon an, was ihnen fehlt. Die Stadt nennt sich das »hundertthürmige Prag« und es mag möglich sein, unter Heranziehung aller möglichen Spitzen und Spitzchen, diese hundert Thürme herauszurechnen. Aber eine hervorragend schöne Kirche (den unvollendet gebliebenen gothischen Dombau abgerechnet, der vielfach an den Kölner Dom erinnert) findet sich nicht. Die Teinkirche ist ein interessanter Bau, nicht ohne architektonische Bedeutung, aber immerhin interessanter durch seine Geschichte, als durch die bauliche Aufgabe, die er löst.
Die schönste Parthie der Stadt bleiben ihre Brückenthürme und ein Schrägblick durch den Altstädter Brückenthurm hindurch, dessen gothisches Bogenthor, nunmehr einen Rahmen bildend, das bunte Treiben des Flusses, die Statuen der Brücke und jenseits, wie Spiegelungen, wie verjüngte Abbilder des Thurmes, vor dem wir
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