Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
unser Reich. Da spielten wir halbe Tage lang und legten Burgen an oder turnten am Reck oder brachen Planken aus dem Zaun und zogen auf Raub in die Nachbargärten. Schöner aber als alles das war, für mich wenigstens, eine zwischen zwei Holzpfeilern angebrachte, ziemlich baufällige Schaukel. Der quer überliegende Balken fing schon an morsch zu werden, und die Haken, an denen das Gestell hing, saßen nicht allzu fest mehr. Und doch konnt ich gerade von dieser Stelle nicht los und setzte meine Ehre darin, durch abwechselnd tiefes Kniebeugen und elastisches Wiederemporschnellen die Schaukel derartig in Gang zu bringen, daß sie mit ihren senkrechten Seitenbalken zuletzt in eine fast horizontale Lage kam. Dabei quietschten die rostigen Haken, und alles drohte zusammenzubrechen. Aber das gerade war die Lust, denn es erfüllte mich mit dem wonnigen und allein das Leben bedeutenden Gefühle: Dich trägt dein Glück.
Fünftes Kapitel
Unser Haus, wie’s wurde
»Wie wir unser Haus vorfanden«, das bildete, von etlichen Einschiebseln und ein paar Exkursen in die Zukunft abgesehen, den Inhalt des vorigen Kapitels. In diesem neuen Kapitel geh ich, freilich gelegentlich auch hier wieder Kommendes vorwegnehmend, zu einer Schilderung der Umgestaltungen über, die sich in verhältnismäßig kurzer Zeit in unserem Hause vollzogen. Daß es in so kurzer Zeit geschah, hatte vorwiegend in dem innerhalb vier oder sechs Wochen bevorstehenden Eintreffen meiner Mutter seinen Grund, bis wohin alles in guter Ordnung sein sollte. Mein Vater, den dabei, neben einer kleinen Baupassion, auch wohl eine gewisse Courtoisie gegen seine trotz aller Kriegführung sehr geliebte Frau beseelen mochte, ging in Ausführung seines Tuns auf zwei Linien vor, von außen und innen, und stellte sich, was das »Außen« anging, vor allem den Abputz des ganzen Hauses, was das »Innen« anging, die Möblierung und Einrichtung zweier Räume: des für seine Frau bestimmten »Salons« und seines eigenen Wohnzimmers, zur Aufgabe.
Dies doppelte Vorgehen war von einem sehr verschiedenen Erfolge begleitet.
Was zunächst den Angriff von »Außen«, also die dem Abputz und Anstrich des Hauses geltende Neuerung betraf, so scheiterte diese total. Von der aus einem feineren Stilgefühl hervorgehenden Anschauung, daß unter Umständen etwas geradezu Häßliches einem an und für sich Hübscheren, aber durchaus Unpassenden immer noch vorzuziehen sein könne, wußte man damals im Publikum nicht viel, und so kam es, daß mein Vater, nachdem er sich mit einem uns schräg gegenüber wohnenden Haus- und Stubenmaler in Verbindung gesetzt hatte, mit ebendiesem einen himmelblauen Ölfarbenanstrich verabredete. Für den Maler war dies, bei der beträchtlichen Zahl von Quadratfußen, die mit dem teuren Anstrich zu bedecken waren, eine sehr lohnende Aufgabe, für das Haus selbst aber, dem diese Verschönerung galt, ging dadurch das Beste verloren, was es bis dahin gehabt hatte: sein grotesker Charakter.
Der Außenangriff also scheiterte.
Desto mehr dagegen, wenn auch freilich nicht in allen Stücken, glückte das Vorgehn im Innern, weil hier das meiste, was geschah, sich mehr oder weniger gefällig in den schlicht gegebenen Rahmen einfügte. Daß es so kam, war natürlich ein bloßer Zufall und hatte darin seinen Grund, daß das zur Einrichtung der genannten Zimmer zur Verfügung stehende Mobiliar vorwiegend alt oder doch nicht ganz neu war. Besonders das ganz alte, das dem Nachlasse meines, wie schon erwähnt, kurz zuvor verstorbenen Großvaters entstammte, paßte wundervoll und erzielte, wo es zur Verwendung kam, genau das, was ich bei Zimmereinrichtungen bis diesen Tag am höchsten schätze: Das Anheimelnde und Gemütliche.
Da war zunächst das dreifenstrige Saalfenster in Front des Hauses, das bestimmt war, der »Salon« meiner Mutter zu werden. Das Schüttgelb seiner Vorexistenz war bald verschwunden, und ein dunkles Ultramarin, die Lieblingsfarbe meines Vaters, trat an seine Stelle, während an der langen, weißgetünchten Decke hin, und zwar von der Hand desselben Meisters, der draußen den Ölfarbenanstrich geleistet hatte, eine halb mythologische Darstellung entstand. Solche mythologisch anklingenden Deckenbilder haben meinen Vater, der eine mir unerklärliche Vorliebe dafür hatte (denn er war eigentlich schlecht bewandert in der Götterlehre), durchs Leben hin begleitet. Überall, wo er sich häuslich einrichtete, mußte das einfache Stern- oder
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