Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
mitunter – namentlich wenn das Fest zugleich noch ein Familienfest, also Geburtstagsfeier oder dem Ähnliches war – auch Verse, die, was Formgewandtheit und glückliche Pointen angeht, nichts zu wünschen übrigließen. Ich habe noch vor kurzem wieder einiges derart unter den Papieren meines Vaters gefunden und bin erstaunt gewesen, wie gut das alles war. Humor, Witz, Wortspiele fehlten nie, bei besondern Gelegenheiten aber kam auch das Gefühlvolle zum Ausdruck, und die, die einem richtigen Gefühl am fernsten, dem Delirium aber am nächsten standen, erhoben sich dann regelmäßig von ihren Plätzen und gingen auf den Redner zu, um diesen zu umarmen und zu küssen. Dies Küssen bezeichnete jedesmal den Beginn der zweiten Hälfte des Festes. Je weiter dann die Tafel gedieh, je freier wurde die Tafelberedsamkeit die nun, vor nichts mehr erschreckend, alsbald zu den übermütigsten, oft derb zufassenden Hänseleien oder, wo sich diese verboten, wenigstens zu persönlichen Schraubereien hinüberleitete. Genau das, was man jetzt »uzen« nennt. Eines der auserlesensten Opfer dieser Lieblingsbeschäftigung der ganzen Tafelrunde war, wie schon in frühern Kapiteln angedeutet, mein Papa. Längst wußte man, daß er, auf Konversation hin angesehen, drei Steckenpferde hatte: die Rang- und Ordensverhältnisse des preußischen Staats, die Einwohnerzahl aller Städte und Flecken unter Zugrundelegung der neuesten Zählung und die Namen und Herzogstitel der französischen Marschälle, einschließlich einer Unsumme napoleonischer Anekdoten, die letzteren meist in Originalfassung. Mitunter wurde diese Fassung auf Satzbildung und Grammatik hin beanstandet, worauf mein in die Enge getriebener Papa mit unverbrüchlicher Ruhe antwortete: »Mein französisches Gefühl lehrt mich, daß es so heißen muß, so und nicht anders«, ein Ausspruch, der natürlich den Jubel nur steigerte.
    Ja, Napoleon und die Marschälle!
    Das Wissen meines Vaters nach dieser Seite hin war geradezu stupend, und ich verwette mich, daß es damals keinen Historiker gab und auch jetzt nicht gibt, der, was französische Kriegs- und Personalanekdoten aus der Zeit von Marengo bis   Waterloo angeht, auch nur entfernt imstande gewesen wäre, mit ihm in die Schranken zu treten. Wo er alles her hatte, ist mir rätselhaft. Ich kann es mir nur so vorstellen, daß er in seinem Gedächtnis ein Fach hatte, drin, wie von selber, alles hineinfiel, was er bei seiner unausgesetzten Lektüre von Journalen und Miszellensammlungen in ebendiesen als seiner Passion dienend vorfand.
    Obenan auf dem von ihm beherrschten Gebiete stand natürlich Napoleon selbst, an dem er übrigens merkwürdigerweise die Sankt-Helena-Tage vor den Tagen seines soldatischen Ruhmes bevorzugte. Dann folgte Ney, sein ganz besonderer Liebling, beinah Abgott. Nach diesem aber, in einer Art von Salto mortale, sprang er über alle weiteren, mehr oder weniger berühmten Marschälle, für die er samt und sonders nicht allzuviel übrig hatte, hinweg und wandte sich sofort den Größen zweiten und dritten Ranges zu, also Männern wie Rapp, Duroc, Nansouty, Cambronne, Friant, Lannes. Diesem letzteren, der schon 1809 bei Groß-Aspern fiel, war er fast so zugetan wie seinem Lieblinge Ney. »Ja, dieser Lannes, dieser Herzog von Montebello! Sonderbar. Er soll sehr beschränkt gewesen sein. Aber am Ende, was tut das? Ney war auch beschränkt.« Und so bewies er aus der Beschränktheit des einen die Größe des andern oder stellte wenigstens die Bedeutungslosigkeit der ganzen Beschränktheitsfrage fest. In seiner Hinneigung zu den kleinen Größen lag aber nichts von Zufall oder Laune, ganz im Gegenteil, er wußte das »Warum« recht gut; mitunter waren es nur Äußerlichkeiten, und ihn beispielsweis über Nansouty, der eine Kürassierdivision kommandierte, sprechen zu hören, war ein vollkommener Hochgenuß. Nansouty stand dann leibhaftig vor einem. Ich war in diesen Dingen schließlich selber so zu Hause, daß ich hätte soufflieren können. Woher das so kam, davon erzähl ich an andrer Stelle, wenn ich von meines Vaters »sokratischer Methode« spreche.
    Vorläufig aber nach diesem Exkurse zurück zu den Gesellschaftsabenden selbst, deren zweite Hälfte regelmäßig die Komödie des Neckens und Aufziehens heraufführte. Selbst als Wirt war mein Vater nicht sicher dagegen, eher, daß sich das Necken dabei verdoppelte.
      Von einem dieser Abende, der mir noch besonders lebhaft im Gedächtnis ist, weil seiner, auch in

Weitere Kostenlose Bücher