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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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haben.
    Um acht oder halb neun war ich dann wieder zurück und an meinem Platz. In der ersten Stunde gab es noch wenig zu tun. Aber bald danach kamen die Doktoren und verschrieben ihre Rezepte. Freilich gab es auch solche, die wenig Praxis hatten und die sich nur einfanden, um sich an einem großen Lesepulte, das für sie hergerichtet war, in die verschiedenen Leipziger Zeitungen zu vertiefen. Für sie war die Apotheke bloß Lesehalle, Doktorbörse, Klublokal. Unter den Ärzten, die zu dieser Gruppe gehörten, interessierten mich besonders zwei, ein Dr. Reuter und ein Dr. Adler. Reuter, ein sehr hübscher, eleganter Herr, war ausgesprochener Sachse, liebte mich aber, weil ich ihm Tag für Tag Gelegenheit gab, seinen starken Preußen-Antagonismus in übrigens nie verletzender Weise gegen mich auszulassen. Er erkundigte sich regelmäßig bei mir nach den Schicksalen der »großen Nation« oder fragte mich, »ob es wahr sei, daß Kaiser Nikolaus wieder auf einer Inspektionsreise sei, um nachzusehen, ob sein ›Unterknäs Friedrich Wilhelm IV.‹ mittlerweile keine Dummheiten gemacht habe«.
    Viel interessanter war Dr. Adler, überhaupt das Prachtstück unter denen, die die Doktorbörse besuchten. Er galt auch bei den eigenen Kollegen, was immer was sagen will, als der Klügste, Vielleicht sogar als Arzt, sicherlich aber als Mensch. Nebenher stand er leider in den Anfängen des Delirium tremens. Natürlich war er auch Dichter – sogar ein sehr guter – , was meine nähere Bekanntschaft mit ihm herbeiführte. Er hatte damals Thomas Moores »Paradies und Peri« übersetzt und trug mir spät abends, wo wenig zu tun und ein Unterbrochenwerden von seiten des Publikums fast ausgeschlossen war, die ganze Dichtung vor. Er ging dabei, seine von Trunk und Begeisterung seltsam verglasten Augen nach oben gerichtet, beständig auf und ab, hingerissen vom Wohlklang der Strophen, und nur ich war womöglich noch hingerissener als er selbst. All dies führte bald dazu, daß ich ihn eines Tages bat, ihm einige meiner Arbeiten vorlegen zu dürfen. Er ging auch freundlich darauf ein, aber doch zugleich mit einer gewissen, nur zu berechtigten Verlegenheit. Was konnt’ es am Ende sein? Er hatte sich selbst zu lange und zu ernsthaft mit derlei Dingen beschäftigt, um nicht zu wissen, daß von einem zwanzigjährigen, bei Radix Valerianae und Flores Chamomillae herangewachsenen Springinsfeld mutmaßlich nicht viel zu gewärtigen sei. So kam es denn auch. Es war eine tüchtige Niederlage, der ich zunächst entgegenging, aber sie verwandelte sich, was mich sehr glücklich machte, schließlich in einen kleinen Sieg. All dies, in seinen verschiedenen Stadien von Demütigung und Erhebung, verlief vorwiegend in einer in Versen geführten Korrespondenz, die, glaub’ ich, von seiner Seite begonnen wurde. Dem Konvolut, drin ich vorerst meine Gedichte zurückerhielt, waren folgende Strophen beigegeben:
    Zweies muß der Dichter haben:
    Erst sei er sich selber klar;
    Und die zweite seiner Gaben
    Ist: er sei auch immer wahr…
    Mit der Sonne zu vergleichen
    Ist die echte Poesie,
    Alles Dunkel muß ihr weichen,
    Keinen Nebel duldet sie.
    Zwar aus dunklen Wolken weben
    Läßt sie sich des Kleides Saum,
    Aber frei darüber schweben
    Muß sie hoch im lichten Raum.
    Ich war etwas niedergedonnert, erholte mich indessen rasch wieder und suchte mich nun in einer natürlich auch in Versen gehaltenen Antwort, so gut es ging, zu verteidigen. Dann aber brach ich mit einem Male die Verteidigung ab, machte die bekannten drei Sternchen und schloß meine Replik mit folgender, anscheinend bescheidenen, in Wahrheit aber ziemlich kecken Anfrage:
    Eine Frage noch, die lange
    Schon auf meiner Lippe schwebt
    Und vor einer Antwort bange
    Ängstlich stets zurückgebebt.
    Nun denn, schlechte Verse machen,
    Die nicht einen Heller wert,
    Die kaum wert, darob zu lachen,
    Das ist nicht mein Steckenpferd.
    Kann ich nicht ein Herz bewegen,
    Sprechen nicht mit Geist zum Geist,
    Will ich mir ein Handwerk legen,
    Das mit Recht dann Handwerk heißt.
    Fehlt von eines Dichters Wesen
    Jede Spur mir und Idee,
    Will ich, ohn’ viel Federlesen,
    Schaffen ein Autodafé.
    Daß ein Lied, das nie erwärmte,
    Mir doch noch die Hände wärmt,
    Und wofür sonst niemand schwärmte,
    Eine Motte noch umschwärmt.
    Diese Strophen, die mir auch in diesem Augenblick noch ziemlich gelungen erscheinen, verfehlten nicht ihren Eindruck auf meinen guten Doktor, und er antwortete mir umgehend in sehr

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