Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
auf dem Präsentierbrett entgegengebracht wird.« Ich ging in meinem Feuereifer so weit, daß ich sogar Russisch bei ihm lernen wollte. Doch schon in der zweiten Unterrichtsstunde war seine Geduld erschöpft, und er sagte mir: »Gib’s nur wieder auf; du lernst es doch nicht.« So ist es mir mit einem halben Dutzend Sprachen ergangen: Italienisch, Dänisch, Flämisch, Wendisch – immer wenn ich mir ein Lexikon und eine Grammatik gekauft hatte, war es wieder vorbei. Was ich beklage. Denn es ist unglaublich, wieviel Vorteile man von jedem kleinsten Wissen hat, ganz besonders auch auf diesem Gebiete.
Also mit der russischen Sprache war es nichts; in bezug auf russische Literatur jedoch ließ ich nicht wieder los, und vom alten Dershawin an, über Karamsin und Shukowski fort, zogen Puschkin, Lermontow, Pawlow, Gogol an mir vorüber. Ein ganz Teil von dem, was mir Wolfsohn damals vortrug, ist sitzengeblieben, am meisten von den drei Letztgenannten – Lermontow war mein besonderer Liebling –, und sosehr alles nur ein Kosthäppchen war, so bin ich doch auf meinem Lebenswege nur sehr wenigen begegnet, die mehr davon gewußt hätten.
Wolfsohn war mir sehr zugetan, über mein Verdienst hinaus, und hat mir diese Zuneigung vielfach bestätigt. Auch noch nachdem ich Leipzig verlassen hatte, blieb ich in persönlicher Verbindung mit ihm und später in einem zeitweilig ziemlich lebhaften Briefwechsel. Einige dieser Briefe, darin auch die Großfürstin Helene, ohne die damals in Rußland nichts Literarisches denkbar war, eine Rolle spielte, waren aus den beiden russischen Hauptstädten datiert, wohin Wolfsohn gern und oft ging, um den dortigen »deutschen Kolonien« samt einigen literaturbeflissenen Russen Vorlesungen über allerjüngste deutsche Dichter, zu denen Wolfsohn, etwas gewagt, auch mich rechnete, zu halten, woraus sich dann ergab, daß ich in Petersburg und Moskau bereits ein Gegenstand eines kleinen literarischen Interesses war, als mich in Deutschland noch niemand kannte, nicht einmal in Berlin.
1851, eben wieder von einer Petersburger Reise zurückgekehrt, trat Wolfsohn an die Spitze des »Deutschen Museums«, einer guten und vielgelesenen Zeitschrift, die er eine Zeitlang mit Robert Prutz gemeinschaftlich redigierte. Sein Aufenthalt war damals Dresden, in dessen literarischen Kreisen er Otto Ludwig kennenlernte. Mit Auerbach um die Wette ließ er sich das Zurgeltungbringen dieses eigenartigen, damals noch wenig gewürdigten Talentes angelegen sein und unterließ nie, wenn er, wie während der fünfziger Jahre oft geschah, als Vorleser seine Tournee machte, dem großen Publikum den »Erbförster« und die »Makkabäer« vorzuführen. Immer mehr sich einlebend in diese bedeutenden Schöpfungen, kam ihm begreiflicherweise die Lust, es auch seinerseits mit dramatischen Arbeiten zu versuchen, und er schrieb ein Drama: ›Nur eine Seele‹, das als politisches Stück eine gewisse Notorität erlangte. Dasselbe richtete sich, wie sein Titel andeutet, gegen die Leibeigenschaft und hielt sich eine Zeitlang. Als dann aber die Leibeigenschaft aufgehoben wurde, war es gegenstandslos geworden.
Um ebendiese Zeit, oder schon etwas früher, war es, daß sich Wolfsohn mit einer Leipziger Dame verheiratete. Diese Verheiratung war mit Schwierigkeiten verknüpft, weil Eheschließungen zwischen Juden und Christen, die eine Zeitlang statthaft gewesen waren, mit Eintritt der »Reaktion« wieder auf kirchliche Hemmnisse stießen. Immer wenn unser Brautpaar aufs neue Schritte tat, traf sich’s so, daß der Kleinstaat, auf den man gerade seine Hoffnung gesetzt, just wieder den freiheitlichen Gesetzesparagraphen aufgehoben hatte. Nummer auf Nummer fiel. So kam es, daß zuletzt nur noch »eine Säule von verschwundener Pracht zeugte«. Diese Säule war Dessau. Aber auch hier sollte, mit Beginn des neuen Jahres, der entsprechende Freiheitsparagraph wieder abgeschafft werden, und so mahnte denn alles zur Eile. Noch kurz vor Toresschluß erfolgte die Trauung des jungen Paares, und aus einer gewissen Dankbarkeit, so nehm’ ich an, verblieb man in Dessau. Doch nicht auf lange. Dessau war kein Platz für Wolfsohn, und so ging er denn nach Dresden zurück. Hoftheater und höfische Sitte, schriftstellerisches und künstlerisches Leben, vor allem internationaler Verkehr – das war das, was für ihn paßte, worin er Befriedigung fand. Und diese neuen Dresdner Jahre wurden denn auch seine glücklichsten; er lebte hier ganz seinen Arbeiten, vor
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