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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Hier, in diesem sonderbaren Zimmer, hab’ ich anderthalb Jahre lang meine Nächte zugebracht, mitunter, wenn auf lang oder kurz ein Logierbesuch kam, auch in Gesellschaft.
    Dieser Logierbesuch bestand in der Regel aus Verwandten.
    Einer war der Bruder meiner Tante, der, von Jugend auf zum Schauspieler gedrillt, auch Schauspieler geblieben war. Leider nicht zu seinem Heil. Ganz kurze Zeit, nachdem er das in Lüften schwebende Zimmer mit mir bewohnt hatte, hörte ich von seinem tragischen Ausgang. Er hatte sich irgendwo zum Gastspiel gemeldet und war in dem Lokalblatt der kleinen Stadt ridikülisiert worden. Er mochte sein Leben ohnehin satt haben. Diese Kritik gab den Ausschlag, und er erschoß sich.
    Ein andrer, der mein Zimmer vorübergehend mit mir teilte, kam im Gegensatz zu diesem Unglücklichen zu hohen Jahren. Es war auch ein Verwandter, aber nicht von der Tante, sondern von des Onkels Seite her. Sein eigentümlicher Lebensgang hat ihn vielen Tausenden bekannt gemacht. Es war dies der Maler Heinrich Gaetke . Mit etwa 18 Jahren war er aus seiner Priegnitzer Heimat nach Berlin gekommen und in das Geschäft meines Onkels eingetreten. Er sollte Kaufmann werden. Aber im Verkehr mit den Malern kam ihm, der talentiert für alles war, alsbald die Lust, auch Maler zu werden. Er wurde Schüler von Blechen – wenigstens lebte was von diesem in seinen Landschaften –, und um diese Zeit sah ich ihn häufiger auf Besuch in meines Onkels Hause. Bald danach ging er nach Helgoland, um, wie vorher Landschaften, so jetzt Seestücke zu malen. Kein Zweifel, daß auch das ihm glückte. Zugleich aber wandte sich sein Sinn einer jungen Helgoländerin zu, was er persönlich nicht sonderlich ernsthaft, die Helgoländer dagegen desto ernsthafter nahmen. Er sah sich denn auch, als er die Insel verlassen wollte, zurückgehalten, und kurze Zeit darauf wurde die junge Helgoländerin seine Frau. Darüber sind jetzt nahezu 60 Jahre vergangen. Anfangs blieb er noch in seiner Kunst; bald aber erwies sich die ihn umgebende große Natur mächtiger als alle Kunst, und er wurde ganz Helgoländer, zu seinem und der Insel Segen. In allen möglichen Ehrenämtern war er alsbald tätig und erfreute sich jeder denkbaren Auszeichnung, nicht zum wenigsten auch auf wissenschaftlichem Gebiet. Denn unter den vielen Wandlungen, die er durchzumachen hatte, war auch die, daß er sich zuletzt der Vogelkunde zuwandte. Sein scharfes Auge hatte bald erkannt, daß es dafür keinen besseren Platz gäbe als Helgoland, dieser Rastplatz der von Nord nach Süd und wieder umgekehrt ziehenden Vogelschwärme. So wurde der Maler von ehedem ein Ornitholog und der Schöpfer einer innerhalb eines bestimmten Zweiges vielleicht einzig dastehenden Sammlung. Er genoß bis zu seinem vor kurzem erfolgten Hinscheiden als Ornitholog eines großen Rufes und hat ein vorzügliches Buch herausgegeben, das den Titel führt: »Auf der Vogelwarte«. Sein Leben, das etwas von dem eines Inselkönigs hatte, ist ein Roman, und ausgezeichnete Schriftsteller haben Einzelheiten daraus auch verherrlicht.
    Das waren so die gelegentlichen Besucher und Insassen der sonderbaren Laterne, darin ich wohnte. Was im übrigen nach vorne hinaus lag, war, wie schon angedeutet, von sehr entgegengesetzter Art. Es entbehrte der aparten Züge, war aber dafür sehr reizend. Das unter Umständen als Repräsentationsraum dienende größere Zimmer wurde wenig benutzt und kam eigentlich nur als eine Art Belvedere für uns in Betracht. An Sommerabenden lagen wir hier im Fenster und sahen die Spree hinauf und hinunter. Es war mitunter ganz feenhaft, und wer dann von der »Prosa Berlins«, von seiner Trivialität und Häßlichkeit hätte sprechen wollen, der hätt’ einem leid tun können. In dem leisen Abendnebel stieg nach links hin das Bild des Großen Kurfürsten auf und dahinter das Schleusenwerk des Mühlendamms, gegenüber aber lag das Schloß mit seinem »Grünen Hut« und seinen hier noch vorhandenen gotischen Giebeln, während in der Spree selbst sich zahllose Lichter spiegelten.
    So war es in dem großen Gesellschaftszimmer. Aber viel reizender, weil anheimelnder, war das kleine Wohnzimmer daneben, drin sich unser Leben eigentlich abspielte. Die Fensterwand war so tief, daß sie fast eine Nische bildete, drin kleine Landschaften von Bönisch hingen, überhaupt Bilder und Skizzen, die befreundete Maler der jungen Frau zum Geschenk gemacht hatten. In ebendieser Nische saß sie auch selber an ihrem Nähtisch, den

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