Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
viel Unbefangenheit, wie sich in der Eile auftreiben ließ: »Nun gut, ich verstehe; Sie sind also seine Freunde.«
»Ja, wir sind so seine Freunde, und das können wir sagen: er ist nich so schlimm. Und wenn er nun vorkommt un Sie gegen ihn aussagen sollen…«
»Ja, hören Sie, ich muß aber doch sagen, wie es ist.«
»Nu ja, nu ja… man bloß nich zuviel… Und wir würden Ihnen auch gerne…«
Diese Worte, so dunkel sie waren, waren von einer Bewegung begleitet, die mir keinen Zweifel darüber ließ, daß man mir einen Taler oder dergleichen in die Hand stecken wollte…
Das gab mir meine ganze Haltung wieder, und ich versprach in rasch wiederkehrender guter Laune, daß ich ihm nichts besonders Schlimmes einbrocken wolle.
Diese Zusicherung schien die Leute auch zu beruhigen, und unter Verbeugung gegen mich schickten sie sich an, in guter Ordnung ihren Rückzug anzutreten. Aber als sie schon beinah draußen waren, kehrte der eine noch einmal um, schudderte sich und rieb sich mit Ostentation die Hände, wie wenn ihn bitterlich fröre, was aber bei seinem dicken Pelz ganz unmöglich und in der Tat nichts als eine diplomatische Gesprächsüberleitung war, und sagte: »Herr Unteroffizier, en bisken kalt is et hier, en paar Kiepen Torf… wat meenen Sie?…«
»Nu, schon gut«, sagte ich. »Lassen wir’s. Und wie ich Ihnen gesagt habe, ich werde nichts Schlimmes gegen ihn vorbringen.«
So verlief es denn auch.
Das Angebot von ein »paar Kiepen Torf« aber war der Schlußakt meines Dienstjahres bei »Kaiser Franz«.
Ostern 45 schloß dies Dienstjahr ab, währenddessen ich, außer meiner vorgeschilderten Reise nach England, noch manch anderes, das nicht gerad im Bereiche des dienstlich Soldatischen lag, erlebt hatte. Darunter war vor allem mein Eintritt in die gerade damals in Blüte stehende Dichtergesellschäft: » Der Tunnel über der Spree «.
Über diesen im nächsten Abschnitt.
Der Tunnel über der Spree
Aus dem Berliner literarischen Leben der vierziger und fünfziger Jahre
Erstes Kapitel
Der Tunnel, seine Mitglieder und seine Einrichtungen
Der Tunnel, oder mit seinem prosaischeren Namen der »Berliner Sonntagsverein«, war 1827 durch den damals in Berlin lebenden M. G. Saphir gegründet worden. Diesem erschien in seinen ewigen literarischen Fehden eine persönliche Leibwache dringend wünschenswert, ja nötig, welchen Dienst ihm, moralisch und beinahe auch physisch, der Tunnel leisten sollte. Zugleich war ihm in seiner Eigenschaft als Redakteur der »Schnellpost« an einem Stamm junger, unberühmter Mitarbeiter gelegen, die, weil unberühmt, an Honoraransprüche nicht dachten und froh waren, unter einer gefürchteten Flagge sich mitgefürchtet zu sehen. Also lauter »Werdende« waren es, die der Tunnel allsonntäglich in einem von Tabaksqualm durchzogenen Kaffeelokale versammelte: Studenten, Auskultatoren, junge Kaufleute, zu denen sich, unter Assistenz einerseits des Hofschauspielers Lemm (eines ganz ausgezeichneten Künstlers), andererseits des von Anfang an die Werbetrommel rührenden Louis Schneider, alsbald auch noch Schauspieler, Ärzte und Offiziere gesellten, junge Leutnants, die damals mit Vorliebe dilettierende Dichter waren, wie jetzt Musiker und Maler. Um die Zeit, als ich eintrat, siebzehn Jahre nach Gründung des Tunnels, hatte die Gesellschaft ihren ursprünglichen Charakter bereits stark verändert und sich aus einem Vereine dichtender Dilettanten in einen wirklichen Dichterverein umgewandelt. Auch jetzt noch, trotz dieser Umwandlung, herrschten »Amateurs« vor, gehörten aber doch meistens jener höheren Ordnung an, wo das Spielen mit der Kunst entweder in die wirkliche Kunst übergeht oder aber durch entgegenkommendes Verständnis ihr oft besser dient als der fachmäßige Betrieb.
Und so bestand denn ums Jahr 1844 und noch etwa fünfzehn Jahre darüber hinaus der Tunnel, seiner Hauptsache nach aus folgenden, hier nach Kategorien geordneten und zugleich mit ihrem Tunnel-Beinamen ausgerüsteten Personen:
Assessoren, Professoren, Doktoren
Assessor Heinrich von Mühler (Cocceji), der spätere Kultusminister.
Assessor Dr. Heinrich Friedberg (Canning), der spätere Justizminister.
Assessor Dr. E. Streber (Feuerbach), später – nachdem er durch Heranziehen des »E« seines Vornamens an seinen eigentlichen Namen den nun spanisch klingenden Namen Estrebér (Akzent auf der letzten Silbe) hergestellt hatte – Minister in Costarica.
Assessor Wilhelm von
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