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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Tubal«, sagte der Rittmeister. »Ich glaube, daß Ihnen der Alte die Wahrheit gesagt hat. Ihnen und uns.«
    Der Kranke schüttelte den Kopf.
    Hirschfeldt aber fuhr fort: »Sie werden leben, und Sie wollen auch leben, Tubal. Es ist niemand, der gern aus dieser Welt scheidet. Nur die Müden ausgenommen.«
    »Ich bin müde. Aber lassen wir das. Ich habe nur noch wenig Stunden. Bitte, lassen Sie mich trinken. Wein; dort. Der Alte hat es erlaubt, er hat alles erlaubt.«
    Hirschfeldt gab ihm.
    »Und nun hören Sie mich. Ich habe zwei Wünsche. Sorgen Sie, daß ich in die Kirche hinaufgeschafft werde, so bald wie möglich. Ich will dort vor dem Altar stehen.«
    Das Sprechen griff ihn sichtlich an. Als er aber getrunken und das Glas wieder beiseitegesetzt hatte, fuhr er in ruhigerem Tone fort: »Das ist eins. Und nun das andere. Ich möchte hier bestattet sein. Aber nicht in der Gruft, in der ich vielleicht unruhig werden würde wie das Fräulein von Gollmitz, die wieder heraus wollte. Nein, fest in Erde.«
    Er schwieg eine Weile und setzte dann unter schmerzlichem Lächeln hinzu: »Sie sehen mich an, Hirschfeldt, als ob ich im Fieber spräche. Nein, ich fiebere nicht. Aber das von dem Fräulein, das müssen Sie sich erzählen lassen, von Renate oder von Marie. Ja, von Marie, die hat es mir erzählt. Also nicht in die Gruft. Und nun schicken Sie mir den Doktor, ich will mich noch einmal trösten lassen. Die Schmerzen kommen wieder, und sein Opium ist mein bester Trost.«
    Hirschfeldt ging, um den alten Leist hinaufzuschicken. Dieser verordnete dem Kranken eine neue Dosis von seiner »Crocata«, sprach eingehend von »Anno zweiundneunzig« und der Kanonade von Valmy und schloß nicht bloß mit der Versicherung, daß in höchstens sechs Wochen alles wieder in Ordnung sein würde, sondern empfahl ihm auch aufs ernsthafteste, bei der bevorstehenden Reise nach Breslau lieber in Sagan als in Sorau übernachten zu wollen. Er machte dies so gut und so geschickt, daß Tubal einen Augenblick über seine wirkliche Lage getäuscht wurde.
    Aber nicht auf lange. Denn in der Tat, es ging rasch zu Ende, rascher noch, als der alte Doktor erwartet hatte. Um acht kam Seidentopf, und die Schorlemmer ging jetzt nach oben, um den Kranken zu fragen, ob er den »alten Freund des Hauses« vielleicht noch sprechen wolle; sie wollte nicht sagen: »den Geistlichen«.
    Tubal lächelte und verneinte, trotzdem er ein Trostbedürfnis und eine rechte Sehnsucht nach Erhebung fühlte; aber er empfand auch, daß Seidentopf ihm nicht geben könne, wonach er verlangte.
    Eine halbe Stunde später stellten sich Phantasien ein: er sprach von der Mutter Gottes, die das Jesuskindlein habe fallen lassen; dann bat er, daß sie mit dem Trommeln und Blasen aufhören möchten, und zuletzt richtete er sich auf und sagte: »Nein, nein, das soll nicht sein; Hektor, das treue Tier.«
    Aber plötzlich war es, als würd’ er wieder klar; er verlangte zu trinken, und gleich darauf bat er die Schorlemmer, ihm Renate zu rufen.
    »Und den Doktor?«
    »Nein, den nicht. Er lügt mit jedem Wort, und seine Tropfen lügen auch. Ich will von beiden nicht mehr. Renate soll kommen.« Und Renate kam.
    Als sie da war, war aus allem zu sehen, daß er mit ihr allein sein wollte, und die Schorlemmer verließ das Zimmer.
    »Setze dich zu mir, Renate«, sagte der Kranke. »Ich will Abschied von dir nehmen.«
    Sie brach in krampfhaftes Weinen aus, warf sich auf die Knie und barg ihr Haupt in die Kissen.
    »Nicht doch; mach’ es mir nicht so schwer. Ach, du weißt nicht wie schwer. Und du sollst es auch nicht wissen. Nie, ich hoffe nie… Ach, Renate, das Scheiden ist doch bitterer, als ich dachte, und nur eines ist, das mich tröstet: es war nichts Rechtes mit mir, und ich hätte dich nicht glücklich gemacht.«
    Sie wollte antworten, aber er fuhr abwehrend fort: »Sage nichts, sage nicht nein. Ich weiß es besser. Denn was gibt Glück uns und andern? Fest sein und stetig sein, stetig sein im Guten. Und wir waren immer unstet, alle, alle. Auch mein Vater war es. Land, Glauben, Freunde gab er hin. Und warum? Einem Einfall zuliebe. Und wir haben nichts Gutes davon gehabt.«
    »Verklage dich nicht, mein Geliebter. Ach, Tubal, um was stirbst du jetzt? Um Lieb’ und Treue willen. Ja, ja. Erst galt es Lewin, und dann, als er gerettet war, da dauerte dich die arme Kreatur, die verlassen dalag und vor Schmerz und Jammer aufwinselte, und du stirbst nun, weil du dich des treuen Tieres

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