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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Leist Verfügung hatte.
    »Brav, junger Herr, das nenn’ ich tapfer ausgehalten.«
    »Was ist es?« fragte Tubal.
    »Ein häßlicher Fall; Perforation der Milz. Aber was ist die Milz? Das Überflüssigste, was der Mensch hat. Es gibt welche, die sie sich ausschneiden lassen. Und Jugend überwindet alles. In vier Wochen setzen wir uns hier ans Fenster, zählen die Dohlen auf dem Kirchendach und rauchen eine Pfeife Tabak. Sie rauchen doch, junger Herr?«
    Tubal verneinte.
    »Nun, dann spielen wir Patience oder Mariage.«
    »Patience.«
    Der alte Leist streichelte dem Schwerverwundeten die Hand.
    »Das ist recht; immer Kopf oben und bei Laune geblieben. Gute Laune heilt und ist das beste Pflaster.«
    Und darnach stieg er wieder treppab, um unten in Berndts Arbeitskabinett über den Befund seiner Untersuchung zu berichten.
    »Nun, Doktor?« fragte Vitzewitz.
    Der alte Leist zuckte die Achseln. »Er muß sterben.«
    »Keine Rettung?«
    »Nein; es war ein Schrägschuß, und das sind immer die schlimmsten. Alles durch: Lunge, Leber. Und zum Überfluß auch noch die Milz.«
    »Und wie lange dauert es noch?«
    »Wenn’s hoch kommt, bis diese Nacht. Es ist heute sein letzter Tag, und morgen hat er es hinter sich. Wenn Sie seinem Vater, dem Geheimrat, noch Nachricht geben wollen, so ist es höchste Zeit. Freilich… doch zu spät. Er trifft ihn nicht mehr, und wenn er Flügel der Morgenröte nähme. Und das sind die schnellsten, wenn ich meinen Psalm recht verstehe.«
    »Dann wollen wir es abwarten. Besser, er erfährt das Ganze als das Halbe.«
    Leist nickte.
    »Ach, Doktor«, fuhr Berndt fort, »welche Tage das! Um Lewin zu retten, dieser Preis. Wie soll ich dem Vater unter die Augen treten! Der einzige Sohn, nein, mehr… das einzige Kind!«
    Berndt stützte seinen Kopf in die Hand und sagte dann nach einer Weile: »Was haben Sie verordnet?«
    »Nichts.«
    »Und was geben wir ihm, wenn er etwas will?«
    »Alles.«
    »Ich verstehe. Und wann kommen Sie wieder? Am Nachmittag oder gegen Abend?«
    »Ich bleibe«, sagte der Alte und ging dann, da nichts mehr zu sagen war, zu Bamme hinüber, den er von Guse her kannte. Und das traf sich gut für beide. Sie setzten sich alsbald an den Ofen und rauchten sich durch ein paar Stunden durch, unerschöpflich in ihrem Diskurse, der bei Tubal begann und bei Hoppenmarieken endete. Diese war am Morgen auf demselben Prellstein, auf dem Berndt sie hatte sitzen sehen, tot vorgefunden worden. Ob erfroren oder vom Schlage getroffen, hatte sich durch Pachaly, der auch dokterte, nicht feststellen lassen, und auch Leist bezeigte keine Lust, den Ursachen ihres Ablebens wissenschaftlich nachzuforschen. Sie war tot, und das genügte. Von Zeit zu Zeit ging er treppauf, um dem Verwundeten, wenn dieser über Schmerzen klagte, von seiner »Crocata« zu verabreichen, deren Überlegenheit über die »Simplex« er bei dieser Veranlassung wieder in enthusiastischen Ausdrücken pries, bis er – als es ihm endlich geglückt war, unter Anwendung dieses Opiats einen schmerzensfreien Zustand herzustellen – auch für sich persönlich den Zeitpunkt für gekommen erachtete, wieder freier aufzutreten und sich eines Café au Cognac zu versichern. Jeetze brachte das Verlangte, Bamme nahm teil, und immer seltner ein ernstes Gesicht aufsetzend, einigten sich schließlich beide dahin, im ganzen genommen seit längerer Zeit keinen so gemütlichen Nachmittag verplaudert zu haben.
     
    Und nun kam der Abend. In dem Eckzimmer war alles versammelt, nur Renate hatte sich zurückgezogen. Man sprach über gleichgültige Dinge, als Jeetze, der sich mit Lewin und der Schorlemmer in den Krankendienst teilte, eintrat und meldete, daß der junge Herr Tubal nach dem Herrn Rittmeister verlangt habe.
    Hirschfeldt ging hinauf. Eine Lampe mit einem kleinen grünen Schirm brannte und gab ein spärliches Licht.
    »Ich habe Sie bitten lassen, Hirschfeldt«, sagte Tubal. »Es ist so dunkel, aber ein Stuhl wird ja wohl zu finden sein. Bitte, hierher.«
    Hirschfeldt tat, wie ihm geheißen, und setzte sich an das Bett.
    »Ich sterbe, Freund. Cito mors ruit.«
    Hirschfeldt wollte antworten.
    »Nein, keine Versicherungen vom Gegenteil… Ich fühle es, und wenn ich es nicht fühlte, so würd’ ich es aus jedem Worte des alten Leist heraushören können. Er versteht sich schlecht auf Verstellung und hat einen Gemütlichkeitston, in dem die Sterbeglocken immer mitklingen. Und am Ende, was tut es? Früher oder später!«
    »Sie regen sich auf,

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