Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
einen Schlag. Als sie bis an die Auffahrt gekommen waren, traten Krist und Pachaly, die schon warteten, vor, um den vordersten Sarg abzuladen. Der Kniehasesche Knecht war ihnen dabei behilflich.
»Wecke Stunn bringen se’n rupp?« fragte der Knecht, als er Kristen in den oberen Griff des Sarges einfassen sah.
»Hüt noch, glieks.«
»Un vörn Altar?«
»Joa, so seggen se.«
»Un woto vörn Altar? Dat’s nich Mod’ bi uns.«
»Ick weet nich. Et is en Polscher. Un da möt et woll so sinn.«
Damit beruhigte sich der Kniehasesche Knecht und fuhr mit dem gelben Sarge weiter die Dorfstraße hinauf, an dem Schulzenhofe vorüber. Als er bei Miekleys Mühle war, bog er in den Forstacker ein und hielt endlich vor Hoppenmariekens Haus. Hier standen alte Weiber, die den gelben, häßlichen Sarg in Empfang nahmen.
»Kuck«, sagte die eine, »geel un blu. Dat is so wat för Hoppenmarieken.«
»Un so kleen as en Kinnersark.«
»Na, vun ‘ne Kinner wihr se nu groad’ nich.«
»Nei, awers de Düwel is ook mal kleen west. Un wat deiht et ehr, dat se ‘ne Hehlersch wihr? Se kümmt jo nu ook rupp, un se kulen ehr inn mang all de annern. Oll-Sidentopp wihr joa daför.«
»Joa, he. He denkt ook, he kann allens.«
Und damit brach das Gespräch ab.
Im Herrenhause war inzwischen ein lebhaftes Treiben gewesen, auf und ab, aber wie auf Socken, und kein Wort wurde gesprochen. Um vier Uhr lag der Tote gebettet in seinem Sarge, und eine Stunde später trugen ihn sechs Träger über den oberen Korridor hin und langsam die Treppe hinunter. Als sie die letzten Stufen eben passiert hatten und über den Hinterflur fort, wo das Hausgesinde stand, auf die Halle zu wollten, sahen sie sich aufgehalten, denn Hektor lag mitten in ihrem Wege. Er hatte sich von seiner Binsenmatte her bis an diese Stelle vorgeschleppt und mühte sich jetzt, sich aufzurichten. Aber umsonst; er winselte nur, und den Augen Berndts, der sich bis dahin gehalten hatte, entstürzten Tränen. So durchschritten sie das Haus, den Hof und bogen zuletzt in den oft genannten Hügelweg ein, der zur Kirche hinaufführte. Als sie bis dicht heran waren, erglühte der Horizont im Widerschein der eben untergegangenen Sonne. Der alte Kubalke schloß auf, und eine kleine Weile noch, so stand der Tote vor dem Altar.
Es war eben neun Uhr, als eine Chaise vor dem Herrenhause hielt, deren Ankunft, da das Stroh noch lag, von niemandem, am wenigsten von Jeetze, der ohnehin schlecht hörte, bemerkt worden war. Endlich ward es hell an den Fenstern, und gleich darauf erschien Lewin und trat an den Wagenschlag, um dem alten Ladalinski, denn er war es, beim Aussteigen behilflich zu sein. Das Aussehen des Geheimrats zeigte sich wenig verändert; seine Haltung war gerade und aufrecht, Anzug und Haar geordnet. Er fragte nach Renate, die nicht zugegen war, und folgte dann Berndt in das Eckzimmer, in dem ein hohes Kaminfeuer brannte und der Teetisch nach russischer Art, wie der Gast es liebte, hergerichtet war. Bamme und Hirschfeldt wollten sich zurückziehen, wurden aber aufgefordert, zu bleiben, ebenso die Schorlemmer. Alle setzten sich, Tee wurde gereicht und von der Fahrt gesprochen. Es sei nicht möglich gewesen, Berlin vor Mittag zu verlassen; allerhand Anordnungen hätten den Moment der Abreise hinausgeschoben.
Unter solchem Geplauder vergingen Minuten, ohne daß des Ereignisses, das den Geheimrat hierher geführt hatte, erwähnt worden wäre. Er bat um ein zweites Glas Tee, und erst, als er auch dieses geleert und dabei den Wunsch ausgesprochen hatte, seine Weiterreise so bald wie möglich antreten zu können, sagte Berndt: »Hab’ ich recht verstanden? Weiterreise?«
Der Geheimrat nickte.
»So werden Sie nicht unmittelbar nach Berlin zurückkehren?«
»Nein. Ich gedenke gleich von hier aus die Leiche meines Sohnes nach Bjalanowo überzuführen. Alle Ladalinskis stehen dort. Das Leben hat seine Forderungen, aber auch der Tod. Es liegt mir daran, im Sinne meines Sohnes zu handeln, der, wie mir wohl bewußt, diesen Zug nach der Heimat hatte.«
Hirschfeldt wollte berichtigen; Berndt aber, der den Eigensinn Ladalinskis kannte und von mancher früheren Erfahrung her wußte, daß unbequeme Mitteilungen wohl das Gemüt seines Gastes beunruhigen, aber an seinen Entschlüssen nichts ändern konnten, ergriff deshalb statt des Rittmeisters das Wort und beeilte sich, ohne weiteres seine Zustimmung auszusprechen. Hirschfeldt erriet die Absicht, und so wurde denn festgestellt, daß um
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