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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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alles andere.«
     
    Durch mehr als vierzig Jahre hin bin ich an meines alten Lepels Seite gegangen. Blick’ ich auf diesen langen Abschnitt zurück, so drängt sich’s mir auf, daß sein Leben ein zwar interessantes und zeitweilig auch glückliches, im ganzen aber doch ein verfehltes war. Es war ihm nicht beschieden, an die rechte Stelle gestellt und an dieser verwendet zu werden. Daß er als Offizier in der Garde begann, war gut, und daß er Italien erst in Land und Leuten und dann, durch immer wiederholten Aufenthalt, auch in Kunst und Sprache genau kennenlernte, das war noch besser. Aber daß er mit dreißig Jahren den Abschied nahm, um sich von einem so frühen Zeitpunkt ab nicht gerade beschäftigungs-, aber doch ziel- und steuerlos umhertreiben zu lassen, mal als Landwirt und mal als Dramatiker, mal auch als Erfinder und Tiftler – er suchte das Perpetuum mobile und »hatte es auch beinahe« –, das alles war beklagenswert und um so beklagenswerter, als in ihm ganz klar vorgezeichnet lag, was er hätte werden müssen. Er war der geborene Hofmarschall eines kleinen kunst- und wissenschaftbeflissenen Hofes und würde da viel Gutes gewirkt haben. Er besaß für eine solche Stellung nicht weniger als alles: ein verbindliches und doch zugleich dezidiertes Auftreten, Stattlichkeit der Erscheinung, natürliche Klugheit, Wohlwollen, Erzähler- und Rednergabe, Sprachkenntnis und vor allem die Gabe, Festlichkeiten mit Kunst und Geschmack zu inszenieren. Er wußte recht gut, daß diese Dinge nicht die Welt bedeuten; aber er nahm sie doch auch nicht als bloße Spielerei, wodurch alles, was er auf diesem Gebiete tat, eine gewisse höhere Weihe empfing. Annehmen möcht’ ich, daß er sich persönlich schon als junger Offizier mit solchen Plänen getragen hat. In seiner Familie lag, wie erblich, ein auf all dergleichen gerichteter Zug, und der »alte Onkel in Rom« mochte ihm wie ein Vorbild erscheinen. Jedenfalls war er mit einer nach dieser Seite hin liegenden wissenschaftlichen Ausbildung seiner selbst von jungen Jahren an beschäftigt. Bücher wie Malortie, Knigge, Rumohr wurden gewissenhaft von ihm durchstudiert, noch mehr aber französische und italienische Memoiren und Hofgeschichten, aus denen er sich Regeln ableitete.
    Natürlich war er mir infolge davon Autorität und, soweit es reichte, auch Vorbild in allem Gesellschaftlichen, dabei lächelnd meine gelegentlichen Fragen beantwortend. »Ach, diese Gesellschaften!« hob ich dann wohl an. »Wenn nur nicht der Eintrittsmoment wäre! Sieh, wenn ich in einen großen Saal trete, weiß ich nie, wohin mit mir. Es erinnert mich immer an die Zeit meiner Schulaufsätze: wenn ich nur erst den Anfang hätte!« Lepel wußte natürlich Rat. Er hörte sich meinen Stoßseufzer ruhig an und sagte: »Nichts einfacher als das. Wenn du eintrittst, reckst du dich auf und hältst Umschau, bis du die Wirtin entdeckt hast. Nehmen wir den ungünstigsten Fall, daß sie ganz hinten steht, am äußersten Ende des Saals, so steuerst du, jeden Gruß oder gar Händedruck Unberufener ablehnend, auf die Wirtin zu, verneigst dich und küßt ihr die Hand. Ist dies geschehen, so bist du installiert: Alles andere findet sich von selbst.« Eine so kleine Sache dies ist, ich habe doch großen Nutzen daraus gezogen.
    In seiner Güte gegen mich war er im ganzen mit meinem gesellschaftlichen Verhalten zufrieden oder ließ es gehen, wie’s gehen wollte. Nur wenn Extrafälle kamen, nahm er mich vorher ins Gebet, um mir gewisse Verhaltungsmaßregeln einzuschärfen. So handelte es sich mal um eine Prinzessin Carolath. Da wollten denn – es lag ihm daran, daß ich einen möglichst guten Eindruck machte – die Weisungen und Ratschläge kein Ende nehmen. Alles aber erschien mir verkehrt, und es war gewiß das beste, daß ich mich schließlich nicht danach richtete. Wenn man einer vornehmen Dame vorgestellt werden soll, und zwar nicht auf Attachéschaft, sondern auf Dichterschaft hin, so ist es am besten, alles vollzieht sich nach dem Satze: »Schicksal, nimm deinen Lauf.« Irgendwas Dummes wird man gewiß sagen; aber es ist doch besser, diese Dummheit kommt frisch vom Faß, als daß sie sich als Produkt eines voraufgegangenen Drills kennzeichnet. Im ersteren Fall wird sie immer noch was haben, was vornehme Damen amüsiert, im anderen Fall ist alles bloß tot und langweilig.
    Solche Lehrstunden, geglückt und nicht geglückt, gab er mir öfter, und manche davon sind mir heiter in der Erinnerung geblieben.

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