Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Hinterzimmer aus in Schräglinie nach einer im ersten Stock gelegenen Küche sah, sah ich da neben dem einen Küchenfenster einen großen Eisenarm vorspringen, an dem regelmäßig allerlei gute Dinge hingen: Bekassinen, Kapaune, Rehziemer, auch Körbe mit Obst und Gemüse, namentlich Artischocken. Es wohnte da der durch seine Juristerei, seine Gourmandise und seine plattdeutschen Gedichte gleich berühmte Präsident Bornemann und weckte durch den vorgeschobenen Eisenarm mit seiner Delikatessenfülle den Wunsch in mir, doch mal sein Gast sein zu dürfen, ein Wunsch, der mir leider nicht in Erfüllung ging. Ich mußte mich mit Geringerem begnügen, habe dem aber gleich hinzuzusetzen, daß dies Geringere mich wohl zufriedenstellen durfte. Denn die Personen, bei denen ich in der Dorotheenstraße mich einquartiert hatte, waren niemand anders als Onkel August und Tante Pinchen, dieselben also, von denen ich, in voraufgehenden Kapiteln, des Guten und Nichtguten schon so manches erzählt habe. Das Leben führte mich eben immer wieder mit ihnen zusammen, immer wieder in ihr angenehmes Haus, diesmal aber nicht als Gast, sondern als regelrechten Mieter. Beide waren ganz unverändert, er nach wie vor der immer gutgelaunte Lebemann, sie die feine Dame, die von Kunst zu sprechen und dabei einen literarischen Protektionston, ein ganz klein wenig im Stile von Rahel Levin oder Fanny Lewald, anzuschlagen verstand. Es war also wie vordem ein gefälliges Zusammenleben. Ich sah mich aber trotzdem gezwungen, nach einigen Monaten schon es abzubrechen, und weil sich bald nachher – übrigens bei Fortdauer unsrer guten Beziehungen – unsre Lebenswege trennten, so möcht’ ich hier alles zum Abschluß bringen, was ich noch über das Leben dieser meiner zwei Verwandten zu sagen habe.
Dies Leben verlief so abenteuerlich, wie es begonnen hatte.
Meines Onkel Augusts Ausgang
Onkel August war, als ich im Sommer
46 in
seine Wohnung in der Dorotheenstraße zog, erster Geschäftsführer in der Lüderitzschen Kunsthandlung Unter den Linden, ein Geschäft, in das er unmittelbar nach seinem Wiedereintreffen von Leipzig in Berlin eingetreten war. Er hatte da gute Tage, wußte durch Sachkenntnis und Gewandtheit die Chefs des Hauses zufriedenzustellen und stellte namentlich sich selber dadurch zufrieden, daß er wohl mindestens die halbe Zeit in der gerade gegenüber gelegenen Konditorei von Spargnapani, der sein guter Freund war und ihn schwärmerisch liebte, verbrachte. Doch ihm waren noch bessre Tage vorbehalten, wenigstens größere, die Märztage von 48, wo sein Leben sozusagen in eine Blüte trat. Der den Märztagen folgende Sommer, den man den Bürgerwehrsommer nennen konnte, war wie geschaffen für Onkel August. Er war alsbald ein enragierter Bürgerwehrsmann und soll bei der in einer Feuertiene sich vollziehenden Gefangennahme des Radaubruders »Linden-Müller« eine Rolle gespielt haben. Sehr wahrscheinlich. Immer an der Spitze zu sein und dabei theatralisch zu perorieren, das war sein Liebstes.
Sommer 49 gab er seine Stellung in der Lüderitzschen Kunsthandlung mal wieder auf und beschloß, nach New York zu gehn. Man vertraute ihm bei der Gelegenheit geschäftlicherseits eine riesige Kiste mit Kupferstichen an, deren Vertrieb er drüben übernehmen sollte. So ging er denn guten Muts im Juli genannten Jahres von Hamburg aus ab, nachdem die Tante mit der ihr eignen Theateremphase versichert hatte: »Sie wolle in einem freien Lande begraben sein.« Die Überfahrt ging auch glücklich vonstatten, und die mitgenommenen Kupferstiche sorgten eine ganze Weile für Existenz, da das Abliefern des dafür eingenommenen Geldes nicht zu Onkel Augusts Lebensgewohnheiten gehörte. Als er aber schließlich nicht nur die Kupferstiche veräußert, sondern auch das dafür eingenommene Geld verausgabt hatte, mußte was andres versucht werden, und man schritt gemeinschaftlich, Mann und Frau, zu Etablierung eines Putz- und Weißzeuggeschäfts. Dies dauerte, wie alles, was Onkel August anfaßte, zwei, drei Jahr. Dann brannte das Putzgeschäft ab, Gott weiß wie. Dies »Gott weiß wie« trat mehrfach in seinem Leben auf. Aber bald hatte sich wieder was andres gefunden, und Onkel August wurde Reisender und Agent für ein riesiges Pelzwarengeschäft. Um diese Zeit – es waren gerade meine Londoner Tage, von denen ich im ersten Abschnitt dieses Buches (Kapitel zwei) ausführlich erzählt habe – kam mir Nachricht von ihm, und zwar durch Freund Faucher, der mir
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