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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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umgekehrt eine höhere Form der Unterhaltung darstellt, es schuf, sag’ ich, dies Unlogische beständig Überraschungen und Erheiterungen, an denen, als wir alt geworden, auch unsere Kinder teilnahmen. Ich möchte diese Sprechweise gern charakterisieren und greife zu diesem Zweck ein kleines Vorkommnis heraus.
    Wir hatten oben im schlesischen Gebirge, nahe von Kirche Wang, eine Sommerwohnung gemietet, und zwar auf der »Brotbaude« bei Herrn Schmidt, einem sehr vorzüglichen Manne mit einer noch vorzüglicheren Frau. Als wir oben ankamen, ich in leichtem Sommerpaletot, bemerkte ich, daß ich unten in Hirschberg einen zweiten, etwas dickeren Überzieher vergessen hatte; wahrscheinlich hing er noch an dem Ständer, an den ich ihn angehängt. »Ich fahre morgen wieder nach Hirschberg,« sagte Herr Schmidt, »und mein alter Friedrich auch« – Friedrich war der Kutscher –, »da kann ihn denn einer von uns mitbringen.« Und Herr Schmidt und Friedrich fuhren am andern Morgen auch wirklich ab, und wir sahen ihrer Rückkehr mit Spannung entgegen. Denn es war noch ein sehr guter Überzieher. Als die Sonne schon hinter den Bergen stand, machten wir uns auf, um den beiden Fuhrwerken, die jeden Augenblick eintreffen konnten, entgegenzugehn. Und keine tausend Schritt mehr, so sahen wir auch schon Friedrich mit dem ersten Wagen. Aber als er heran war, machte der alte Kutscher eine traurige Handbewegung, die ausdrücken sollte: ich hab’ ihn nicht. »Er ist also weg«, sagte meine Frau. »Beruhige dich«, unterbrach ich sie. »Das war ja bloß Friedrich. Herr Schmidt kommt noch und wird ihn natürlich mitbringen.« Herr Schmidt kam denn auch, machte jedoch schon von fernher dieselbe Handbewegung wie sein Kutscher, was meine Frau sofort zu dem schmerzlichen Ausrufe veranlaßte: »So sind sie also alle beide weg .«
    Aus einer langen Erfahrung weiß ich nur zu gut, wie gefährlich es ist, Anekdotisches, das sich im Leben ganz nett ausnahm, hinterher literarisch verwenden zu wollen. Und ist es nun gar Anekdotisches »in eigner Sache«, so wird die Gefahr noch größer. Trotzdem habe ich der Versuchung nicht widerstehen können und rechne auf die Zustimmung derer, die mit mir davon ausgehen, daß eine Menschenseele durch nichts besser geschildert wird als durch solche kleinen Züge. Schon das Sprichwort sagt: »An einem Strohhalme sieht man am deutlichsten, woher der Wind weht.«

Drittes Kapitel
     
    Bei Professor Sonnenschein. Onkel August wieder in Berlin; seine letzten Jahre, sein Ausgang. Examen. In die Jungsche Apotheke
     
    Dezember 45 hatte ich mich verlobt, und wenn man sich verlobt hat, will man natürlich auch heiraten. Dazu war aber noch zweierlei vonnöten: Geld und Examen. An Herbeischaffung von Geld, trotzdem Freund Lepel damit umging, eine reiche Tante mir zuliebe »reinzulegen«, war gar nicht zu denken; aber Absolvierung meines Examens lag innerhalb der Möglichkeit. Und wenn’s damit glückte, so war zwar nicht viel gewonnen, aber doch was.
    Also Vorbereitung zum Examen!
    Ich hatte mir eine kleine Summe Geldes gespart, und so wenig es war, so fing ich doch an, mich ganz ernsthaft über analytische Chemie herzumachen, und zwar als Schüler vom Professor Sonnenschein – Vater des Geheimen Legationsrats im Auswärtigen Amt –, der gerade damals in einem Seitenflügel von Sparwaldshof ein chemisches Laboratorium errichtet hatte. Sonnenschein war ein ausgezeichneter Lehrer, und so ging alles ganz gut. Nebenan, in einem eigens ihm zur Verfügung gestellten Raume, war ein etwa dreißigjähriger Herr mit hellen blitzenden Augen und von sehr distinguierter Erscheinung ebenfalls mit analytischen Arbeiten beschäftigt. Seine Züge haben sich mir eingeprägt. Ich erfuhr später, daß es Görgei gewesen sei. Sichres darüber weiß ich freilich nicht. Aber es ist mir in hohem Maße wahrscheinlich, daß es Görgei war, weil es mir – wenigstens in meinen jungen Jahren – zubestimmt war, unausgesetzt Revolutionären und ähnlichen Leuten in die Arme zu laufen: Robert Blum, Georg Günther – Schwager R. Blums –, Jellinek, Dortu, Techow, Herzen, Bakunin und noch andre, die das, wofür sie kämpften, mit ihrem Leben oder mit ihrer Freiheit bezahlt haben.
    Ich hatte mich, als ich meine Studien anfing, in der Dorotheenstraße seßhaft gemacht, und zwar in einem vergleichsweise neuen Hause, das dem in der Turnerwelt gekannten und gefeierten Eiselen gehörte. Meine Wohnung lag zwei Treppen hoch, und wenn ich von meinem

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