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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gefährlichsten Menschen, die es gibt; die Gewaltsamen verschwinden daneben und stehen auch sittlich unendlich höher. Bei solchen Kraftnaturen ist eine Bekehrung möglich, bei diesen liebenswürdigen Taugenichtsen nie. Ich kann sagen, mir ist, nachdem ich der Sache erst mal auf den Grund gesehen, das »Affable« durch Erscheinungen wie die meines Onkels geradezu verleidet worden, und wenn ich mich, was öfter geschieht, auf meine »Liebenswürdigkeit« hin angesprochen sehe, so kommt mir jedesmal der Gedanke: »Solltest du vielleicht auch…«, und eine Gänsehaut überläuft mich. Ich habe mir denn auch infolge davon durch manches Jahr hin ganz ehrlich gewünscht, ein Grobian zu sein, bis ich schließlich dahinter gekommen bin, daß auch das nichts hilft und daß die Grobiane genau denselben Moraldefekt haben können, nur in andrer Einkleidung. Dieser Moraldefekt ist eben eine Gottesgabe für sich, die sich mit jedem Temperament und jeder Manier verträgt. Am furchtbarsten ist die Gruppe der im stillen ihr Schäfchen scherenden Biedermeier.
     
    Ich kehre nach dieser abschließenden Onkel-August-Episode zu meinen eignen Angelegenheiten zurück.
    Spätsommer 46 gab ich meine Wohnung in der Dorotheenstraße wieder auf und quartierte mich bei meinen auf dem Lande lebenden Eltern ein, um da meine Studien privatim fortzusetzen, so gut oder so schlecht es ging. »So schlecht« ist das richtigere. Denn Naturwissenschaftlichkeiten sind Dinge, die man nicht bloß aus Büchern lernen kann; es bedarf dazu viel äußeren Apparats. So stand es denn wenig gut mit mir, als ich, nach Ablauf von etwa dreiviertel Jahren, wieder aufbrach, um endlich mein Examen zu machen. Ich wußte jämmerlich wenig, was denn auch meinen Vater, als ich mich von ihm verabschiedete, zu der Bemerkung veranlaßte: »Will dir was sagen; du fällst entweder durch oder kriegst eine Nummer eins.« Er war, wie in vielem, so auch darin ganz Vollblutfranzose, daß er, sobald er eine Formel für eine bestimmte Situation gefunden hatte, sich vollkommen beruhigt fühlte.
    Das Examen verlief indessen anders, als mein Vater erwartete. Ich fiel nicht durch, aber noch weniger erhielt ich eine Nummer eins. Es war alles Durchschlupf, hair breadth escape. Dabei passierte das, was immer passiert, daß ich auf dem Gebiet, auf dem es am schlimmsten mit mir stand, am besten abschloß. Das war in der Botanik. Ich ging, in Frack und weißer Binde, durch die Friedrichsstraße hin auf meine Marterstätte zu. Bei Raehmels Weinhandlung, damals Ecke der Rosmaringasse, angekommen, schwenkte ich ein, um mich durch eine halbe Flasche Rotwein soweit wie möglich zu stärken und dabei noch einen flüchtigen Blick in ein kleines, mich beständig begleitendes botanisches Büchelchen zu tun. Ich schlug blindlings auf, und auf der linken Seite stand »Die Karyophyllazeen«. Die Typen stehen noch deutlich vor mir. Es war hier alles nur in nuce gegeben, aber so wenig es war, es rettete mich doch, denn siehe da, der alte Link, berühmter Botanikprofessor – Vater oder Taufpate der Linkstraße –, begann mit seiner Krähstimme gerade nach den Karyophyllazeen zu fragen. Er sah wohl, daß ich nur gerad einen Schimmer davon hatte und mit diesem Schimmer alles zu vergolden trachtete. Das amüsierte ihn, und so gab er mir denn ein ganz leidliches, will also sagen unverdientes Zeugnis. Ich hatte Glück gehabt. Entgegengesetztenfalls, also bei Nichtbestehen im Examen, hätte mich kaum ein Vorwurf treffen können, indessen man kann nicht jedem klarmachen, daß man eigentlich unschuldig ist an einer sich einstellenden Blamage. Diese mir erspart zu sehn, war ich herzlich froh, wenn mir freilich auch sehr bald wieder die Frage kam: »Ja, was nun?« Ich hatte das Examen hinter mir, aber keine Spur von Lebensaussicht vor mir; bloß eine arme Braut, die wartete.
    Da half es denn schließlich nichts, ich mußte wieder irgendwo unterkriechen und trat im Spätherbst
47 in
die Jungsche Apotheke ein.

Der achtzehnte März
     

Erstes Kapitel
     
    Der achtzehnte März
     
    Die Jungsche Apotheke, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstraße, darin ich den »18. März« erleben sollte, war ein glänzend fundiertes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Lebertran verschrieben – damals, vielleicht auch jetzt noch,

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