Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
aller dieser Schwierigkeiten aus, zuletzt aber sind’s Menschen, und von dem beständigen Abhetzen matt und müde geworden, versagt zuletzt die beste Kraft und der treuste Wille. Dazu kommt noch, daß auch Schlagwörter, plötzlich heraufbeschworene Vorstellungen, Imponderabilien, über die hinterher leicht lachen ist, mit einemmal eine halb unerklärliche Macht gewinnen. So weiß ich oder glaub’ ich zu wissen, daß für bestimmte kleinere Truppenteile mit einemmal der Schreckensruf da war: »Die Bürger kommen.«
    Noch einmal, ich vermeide hier mit Absicht nähere Angaben. Es waren Kompanien, die sich, wenige Monate später, ganz besonders und allen andern vorauf in ernsten Kämpfen ausgezeichnet haben. Jetzt erscheint uns der Schrei: »Die Bürger kommen« als der Inbegriff alles Komischen; damals, auf knappe vierundzwanzig Stunden, umschloß er eine Macht. Immer dieselbe Geschichte: wenn der Morgen anbricht, sieht man, daß es ein Handtuch war, aber in der Nacht hat man sich gegrault. Die Tapfersten haben mir solche Zugeständnisse gemacht. Nur der Feigling ist immer Held. So lag es sehr wahrscheinlich auch am achtzehnten März, und als General von Prittwitz gegen den König die Worte aussprach: »Heute und morgen und auch noch einen Tag glaube ich die Sache halten zu können«, da waren wohl bereits die ersten Anzeichen eines solchen Versagens da. So wird es immer sein, weil es – wenn man nicht gleich im ersten Augenblick, wie beispielsweise am zweiten Dezember, mit vernichtender und bei patriarchalischem Regiment überhaupt nicht zulässiger Gewalt vorgehen will – nicht anders sein kann . Und auch in dem Ausnahmefall hat es nicht Dauer. Auflehnungen, ich muß es wiederholen, die mehr sind als ein Putsch, mehr als ein frech vom Zaun gebrochenes Spiel, tragen die Gewähr des Sieges in sich, wenn nicht heute, so morgen. Alle gesunden Gedanken, auch das kommt hinzu, leben sich eben aus, und hier die richtige Diagnose stellen, das Zufällige vom Tiefbegründeten unterscheiden können, das heißt Regente sein.

Drittes Kapitel
     
    Der einundzwanzigste März
     
    Am neunzehnten vormittags – wie schon erzählt – erschien die Proklamation, »daß alles bewilligt sei«; mir persönlich, weil ich der Sache mißtraute, wenig zu Lust und Freude. Trotzdem sah ich ein, daß es töricht sein würde, mir die Stunde zu verbittern, bloß weil vielleicht bittre Stunden in Sicht standen. Ich war also bemüht, mit dem Strome zu schwimmen und geriet nur, eine Zeitlang, in neues Unbehagen, als ich von der einigermaßen an Hinterlist gemahnenden Gefangennahme des alten General von Möllendorff, Kommandeurs der einen Gardebrigade, hörte. Der vortreffliche alte Herr, der sich schon 1813 ausgezeichnet hatte, war von der Königsstraße her auf den Alexanderplatz vorgeritten, um in durchaus volksfreundlichem Sinne zu parlamentieren, und war bei dieser Gelegenheit vom Tierarzt Urban, einem schönen Manne, von dem man nur, seinem Aussehen nach, nicht recht wußte, ob man ihn mehr in die böhmischen Wälder oder mehr nach Utah hin verlegen sollte, gefangengenommen worden, wie’s hieß unter Assistenz eines vierzehnjährigen Schusterjungen, der dem General von hinten her den Degen aus der Scheide zog. Möllendorff, durch Tierarzt Urban gefangengenommen, das wollte mir schon nicht recht eingehn! Aber was mich direkt empörte, das war, daß man den alten General in das Schützenhaus geschleppt und ihn dort ganz gemütlich vor die Wahl gestellt hatte: Schießverbot an seine Truppen oder selber erschossen werden. Glücklicherweise nahmen die Dinge draußen solchen Verlauf, daß der Unsinn und mehr als das – solche Forderung darf man nicht stellen, auch nicht in solchen Momenten – ohne weitere Folge vorüberging.
    Am Nachmittage wurd’ es ganz still, und ich benutzte diese ruhigen Stunden, um einen langen Brief, wohl vier, fünf Bogen, an meinen Vater zu schreiben. Es wird dies mutmaßlich der erste Bericht über den achtzehnten März gewesen sein, und wenn es nicht der erste Bericht war, der geschrieben wurde, so doch wohl der erste, der in die Welt ging. Es gab nämlich an jenem neunzehnten – der noch dazu ein Sonntag war – keine Postverbindung, was mich denn auch veranlaßte, meinen Brief direkt nach dem Stettiner Bahnhof zu bringen und ihn dort in den Postwagen eines Eisenbahnzuges zu tun. So kam dies Skriptum am andern Morgen in dem großen Oderbruchdorfe Letschin, wo mein Vater damals wohnte, glücklich an. Von den

Weitere Kostenlose Bücher