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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ihrem Gange bestimmt werden.
    Die Gesellschaft begab sich jetzt aus dem Eßzimmer in die die Zimmerreihe abschließende Putzstube, die im wesentlichen noch die Einrichtung zeigte, die ihr die vor zehn Jahren, beinahe unmittelbar nach der Feier ihrer silbernen Hochzeit, aus der Zeitlichkeit geschiedene Frau Pastorin Seidentopf gegeben hatte. An der einen Längswand standen ein Sofa und ein Birkenmaserklavier, jenes hochlehnig, mit fünf harten, großblümig überzogenen Seegraskissen, dieses auf schmalen, ellenartigen Beinen, deren Dünne nur noch von der seines Tones übertroffen wurde. Dem Sofa gegenüber befand sich der »Jubiläumsschrank«, in dem alles ein Unterkommen gesucht und gefunden hatte, was bei Gelegenheit der mit seiner silbernen Hochzeit zusammenfallenden fünfundzwanzigjährigen Amtsführung unserem Seidentopf an Geschenken und Huldigungen dargebracht worden war. Außer dem Kranz und dem Ehrenpokal standen hier zwei Blumenvasen mit Zittergras, ein Fidibusbecher, ein Album, eine Briefmappe, mit zwei großen Perlenarbeiten geschmückt, von denen die eine die Hohen-Vietzer Kirche, die andere das Landsberger Korrektionshaus darstellte, an dem unser Seidentopf einige Jahre lang amtiert hatte. Aus ebendieser Zeit her stammte auch ein kleines, aus Brotkrume geformtes Kruzifix, das, unscheinbar an sich selbst, in ebenso unscheinbarer Umrahmung hart über der Sofalehne hing. Es war die Arbeit eines in Ketten geschlossenen, auf Lebenszeit verurteilten Sträflings, der, einfach um Beschäftigung willen beginnend, unter dem Tun seiner Hände sich zum gläubigen Christen herangebildet hatte. Turgany pflegte die Bemerkung daran zu knüpfen, daß es ein neuer Beweis sei, wie sich jeder seinen Gott und seinen Glauben schaffe; Seidentopf aber, weil hier sein Innerstes mitspielte, ließ sich in seinen entgegenstehenden Anschauungen nicht beirren, war vielmehr fest überzeugt, daß auch diesem Schächer das Wort erklungen sei: »Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein«, und pries sich glücklich, dies Brotkrumen-Kruzifix aus den Händen eines gläubig Sterbenden empfangen zu haben. Er sah es für nichts Geringeres als einen Talisman oder, um christlicher zu sprechen, als einen segenspendenden Hort seines Hauses an.
    So war das Zimmer. Tante Schorlemmer nahm Platz auf dem Sofa, die beiden jungen Damen neben ihr, während die Herren um den Tisch herum den Kreis schlossen.
    »Was spielen wir?« fragte Renate. »Wir haben die Wahl zwischen Tellerdrehn, Talerwandern und Tuchzuwerfen.«
    »Also doch jedenfalls ein Pfänderspiel«, fragte Pastor Zabel, dem etwas bange werden mochte.
    »Gewiß«, antwortete Turgany.
    »Dann bin ich«, entschied Renate, »alles in allem erwogen, für Lewins Lieblingsunterhaltung: Alles, was fliegen kann, fliege hoch! Er hält dies nämlich für das Spiel aller Spiele.«
    »Da wäre ich doch neugierig«, bemerkte Turgany.
    »Ich bekenne mich«, nahm Lewin jetzt das Wort, »allerdings zu dem Geschmack, den mir Renate zugeschrieben. Es ist, wie sie sagt. Alle Spiele sind gut, wenn man sie richtig ansieht, aber mein Lieblingsspiel ist doch der besten eines. Es hat zunächst eine natürliche Komik, die sich freilich dem nur auftut, der ein bescheidenes Maß von Phantasie und plastischem Sinne mitbringt. Wem die Tiere, groß und klein, die genannt werden, nur Worte, nur naturhistorische Rubrik sind, wem sozusagen erst nachträglich als Resultat seiner Kenntnis und Überlegung beifällt, daß die Leoparden nicht fliegen, dem bleibt der Zauber dieses Spiels verschlossen. Wer aber in demselben Augenblick, in dem der Finger zur Unzeit gehoben wurde, inmitten von Kolibris und Kanarienvögeln einen Siamelefanten wirklich fliegen sieht, dem wird dieses Spiel, um seiner grotesken Bilder willen, zu einer andauernden Quelle der Erheiterung.«
    »Sehr gut, sehr gut«, sagte Turgany, sichtlich angeregt durch diese Betrachtung.
    »Und doch ist diese Seite des Spiels«, fuhr Lewin fort, »nur eine nebensächliche. Viel wichtiger ist eine andere. Es diszipliniert nämlich unseren Geist und lehrt uns eine rasche und straffe Zügelführung. In körperlichen wie in geistigen Dingen herrscht dasselbe Gesetz der Trägheit. Aus Trägheit rollt die Kugel weiter. So genau auch hier. Siebenmal, in wachsender Geschwindigkeit, haben wir den Finger gehoben, er ist in eine rotierende Bewegung geraten, er fliegt beinahe selbst; da drängt sich das schwerfällig Kompakteste in die Gesellschaft uns leicht und zierlich

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