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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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umschwirrender Vögel ein, und siehe da, unser Finger tut das, was er nicht sollte, und fliegt weiter. Da liegt es! Diese dem Gesetz der Trägheit entstammende Bewegung, unter dem Eindruck eines rasch entstehenden Bildes, mit gleich rascher Willenskraft zu hemmen, das ist die geistige Schulung, die wir aus diesem Spiel gewinnen. Ich kann mir denken, daß wir durch Übungen wie diese unserer Charakterbildung zu Hilfe kommen.«
    Der Konrektor lächelte. Er schien die pädagogische Seite des Spiels doch etwas geringer zu veranschlagen. Nur Turgany wiederholte seine Zustimmung. Das Spiel begann und nahm seinen Gang, dabei seine alte Anziehungskraft bewährend. Der alte Streit, ob Drachen fliegen können oder nicht, wurde den Mitspielenden nicht geschenkt. Als man abbrach, lag eine ganze Zahl von Pfändern in einem flachen Arbeitskorb, den Marie herbeigeholt hatte.
    »Unser Freund Lewin«, nahm jetzt Turgany das Wort, »hat von dem Spiel der Spiele gesprochen, dabei seinen Gegenstand vom künstlerischen, vom pädagogischen und moralischen Standpunkte, also von drei Seiten her beleuchtend, wie es sich in einem Predigerhause geziemt. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, mich über ein verwandtes Thema in ähnlich eindringlicher Weise zu verbreiten. Wollen Sie es glauben, meine Damen, daß sich die tiefsten Geheimnisse der Natur in der Abgabe der Pfänder offenbaren.«
    »Das wäre!« bemerkte der Dolgeliner Pastor, der nach dieser Seite hin kein ganz reines Gewissen haben mochte.
    »Etwas dezent Indifferentes wählen«, fuhr Turgany fort, »ohne dabei der Trivialität zu verfallen, das ist die Kunst. Ein Battisttuch, ein Notizbuch, ein Flakon, eine Brosche dürfen als wahre Musterstücke gelten. Sie sind nur selten zu übertreffen. Ich kannte freilich eine fremdländische, aus dem Süden her an unser Oderufer verschlagene Dame, die lächelnd eine große Perlennadel aus ihrem schwarzen Haare nahm und diese Nadel dann überreichte. Ich hätte die Hand küssen mögen. Das war ein Ausnahmefall nach der glänzenden Seite hin. Desto leichter ist es, hinter der goldenen Mitte des Flakons und der Brosche zurück zubleiben. Ich entsinne mich einer im Embonpointalter stehenden Professorenfrau, die Mal auf Mal ihren Trauring als Pfand vom Finger zog. Erlassen Sie mir, Ihnen das eheliche Glück des Hauses zu schildern. In derselben Gesellschaft befand sich ein Herr, der nicht müde wurde, sein englisches Taschenmesser, zehn Klingen mit Korkzieher und Feuerstahl, in den Schoß der Damen zu deponieren, bis das Klingenmonstrum, nach Zerreißung mehrerer Seidenkleider, endlich vor dem allgemeinen Entrüstungsschrei verschwand.«
    Der Justizrat hatte diesen Vortrag halten dürfen, ohne Furcht, dadurch anzustoßen. Er war nämlich der Abgabe der Pfänder mit besonderer Aufmerksamkeit gefolgt und kannte genau die Resultate. Selbst Pastor Zabel hatte nichts Schlimmeres eingeliefert als einen großen Karneoluhrschlüssel, den er nicht an der Uhr, sondern selbständig, wie eine Art Sackpistole, in einer seiner großen Taschen trug.
    Man schritt nun zur Einlösung.
    Lewin, der am meisten verschuldet war, hatte »Steine zu karren«, mußte »Brücke baun« und »Kette machen«, während es dem Dolgelinischen Pfarrer zufiel, als »polnischer Bettelmann« sein Glück zu versuchen.
    Endlich hieß es: »Was soll der tun, dem dies Pfand gehört?«
    »Schinken schneiden!«
    Es war ein Knüpftuch Maries. Diese erhob sich, trat in die Mitte des Zimmers und begann: »Schneide, schneide Schinken, wen ich lieb hab’, werd’ ich winken.«
    Dabei winkte sie dem Frankfurter Konrektor und bot ihm in voller Unbefangenheit ihren Mund. Othegraven, der sonst Gewalt über sich hatte, fühlte sein Blut bis in die Schläfe steigen. Er küßte ihr die Stirn; dann kehrten beide auf ihre Plätze zurück.
    Außer Renaten hatte nur Turgany die flüchtige Verlegenheit Othegravens bemerkt.

Fünfzehntes Kapitel
     
    Schmidt von Werneuchen
     
    Das letzte einzulösende Pfand, ein Notizbuch, gehörte Renaten, die nunmehr aufgefordert wurde, ein Lied zu singen. Sie war dazu bereit, aber wie immer entstand die Frage: was? Zum Glück lagen auf dem kleinen Birkenmaserklavier allerhand Noten aufgeschichtet, unter denen Renate zu suchen begann. Es waren Liederkompositionen, die, soweit der Text in Betracht kam, mit einer Art von gesellschaftlicher Diplomatie beiden Dichterschulen entnommen waren, die damals in beinahe unmittelbarer Nähe von Hohen-Vietz ihre Geburts-,

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