Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
von Vierzig, mit nur einem Auge – einem sehr hellen, schwarzen Auge, das mit einem schelmischen Ausdruck von guter Laune und Aufgeräumtheit blinzelte; »unserm edlen Selbst, liebe Leute! Das ist immer mein Toast, den ich der Gesellschaft vorschlage; auf Mariens Wohl trinke ich für mich allein. He, Marie!«
»Geht Eurer Wege, Spötter«, sagte das Schenkmädchen, wiewohl offenbar durch das Kompliment nicht aufgebracht.
»Spring’ nicht davon, Marie«, sagte der Schwarzäugige.
»Laßt mich im Frieden, Ausgeschämter«, versetzte die junge Dame.
»Denke nicht dran«, versetzte der Einäugige, dem Mädchen nachrufend, das eben das Zimmer verließ. »Ich komme bald nach, Marie.«
Hier winkte er, mit einem für ihn durchaus nicht schwierigen Prozeß, der Gesellschaft mit einem Auge zu, woran eine ältliche Persönlichkeit mit einem schmutziggelben Gesicht und einer Tonpfeife ein ausnehmendes Wohlgefallen fand.
»Merkwürdige Geschöpfe, die Weiber«, sagte der mit dem Negergesicht nach einer Pause.
»O! haben nicht Unrecht«, bestätigte ein Mann mit einem kupferroten Gesicht hinter einer Zigarre.
Nach diesem philosophischen Aphorismus entstand eine zweite Pause.
»Aber es gibt noch seltsamere Dinge in der Welt als die Weiber, denke ich«, bemerkte der Mann mit dem schwarzen Auge, eine große holländische Pfeife mit sehr geräumigem Kopfe langsam füllend.
»Sind sie verheiratet?« fragte das Negergesicht.
»Kann mich damit nicht rühmen.«
»Dacht mir’s doch.«
Hier lachte das Negergesicht laut vor Bewunderung seines Scharfsinns, und ein Mann mit einer sanften Stimme und einem feinen Gesichtchen, der es sich jederzeit zur Pflicht machte, jedermanns Ansicht beizupflichten, stimmte in das Lachen ein.
»Die Weiber, meine Herren«, sagte der enthusiastische Herr Snodgraß, »sind aber doch die Stützen und Zierden unseres Lebens.«
»Allerdings«, sagte der Herr mit dem Milchgesicht.
»Wenn sie guter Laune sind«, sprach das Negergesicht dazwischen.
»Ja, da haben Sie ganz recht«, stimmte das Milchgesicht ein.
»Ich weise diese Einschränkung zurück«, sagte Herr Snodgraß, dessen Gedanken ohne Zweifel zu Emilie Wardle zurückkehrten; »ich weise sie mit Unwillen – mit Empörung zurück. Zeigen Sie mir den Mann, der etwas gegen die Frauen als Frauen hat, und ich behaupte kühn, er ist kein Mann.«
Und Herr Snodgraß nahm seine Zigarre aus dem Munde und schlug mit geballter Faust auf den Tisch.
»Das ist ein gründliches Argument«, sagte das Milchgesicht.
»Eine Behauptung, der ich widerspreche«, unterbrach ihn das Negergesicht.
»Und es liegt gewiß sehr viel Wahres an dem, was Sie bemerken«, pflichtete das Milchgesicht bei.
»Ihre Gesundheit, mein Herr«, sagte der Krämer mit dem einen Auge, Herrn Snodgraß beifällig zuwinkend.
Herr Snodgraß erwiderte das Kompliment.
»Ich höre immer gern ein gutes Argument«, fuhr der Krämer fort, »besonders ein so scharfes, wie dieses; es ist sehr belehrend. Aber der kleine Diskurs über die Weiber bringt mich auf eine Geschichte, die ich einen alten Oheim von mir erzählen hörte, und eben die Erinnerung daran führte mich auf die Behauptung, es gebe bisweilen noch merkwürdigere Dinge als die Weiber.«
»Ich möchte wohl diese Geschichte hören«, sagte das Kupfergesicht mit der Zigarre.
»Möchten Sie«, war die einzige Erwiderung des Krämers, der mit großer Gewalt fortrauchte.
»Auch ich möchte es«, sagte Herr Tupman, zum ersten Male den Mund öffnend. Er war immer darauf bedacht, den Schatz seines Wissens zu erweitern.
»Möchten Sie? Wohlan denn, ich erzähle sie. Nein, ich tu’ es nicht. Ich weiß, ihr würdet sie nicht glauben«, erwiderte der Mann mit dem schelmischen Auge, seinem Sehorgane noch einen schelmischeren Ausdruck gebend.
»Wenn Sie sagen, sie ist wahr, so glaube ich sie natürlich«, sagte Herr Tupman.
»Wohlan, unter der Bedingung will ich sie erzählen«, erwiderte der Reisende. »Haben Sie je von dem großen Handelshause Bilson und Slum gehört? Doch es tut nichts zur Sache, ob Sie davon gehört haben oder nicht, denn die Herren haben sich schon längst vom Geschäfte zurückgezogen. Es ist jetzt achtzig Jahre, seitdem diese Geschichte einem Reisenden dieses Hauses begegnet ist: er war ein besonderer Freund meines Oheims, und mein Oheim erzählte mir die Sache. Es ist ein sonderbarer Titel, aber er nannte sie nur
die Krämersgeschichte
und pflegte sie folgendermaßen wiederzugeben:
An einem
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