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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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tätschelnd. So eine Nacht wie diese kann’s nicht weitergehen. Im ersten Haus, zu dem wir kommen, kehren wir ein, und je schneller du läufst, desto schneller geht es vorüber. Oho, alte Lisel – sachte – sachte.
    Ob die launische Mähre mit den Tonarten von Toms Stimme hinreichend bekannt war, um seine Meinung zu verstehen, oder ob sie fand, es sei kälter, wenn sie stehenbleibe, als wenn sie vorwärtsgehe, kann ich natürlich nicht behaupten. Aber das kann ich sagen, daß Tom kaum den Mund geschlossen hatte, als sie die Ohren spitzte und fortrannte, und der tonfarbene Wagen mit einer Hast hinterdreinrasselte, daß man hätte glauben können, die roten Speichen müßten jeden Augenblick auf die Wiesen der Marlborough- Ebene hinausfliegen. Sogar Tom konnte wegen der Geschwindigkeit, womit er fortgerissen wurde, ihren Schritt nicht hemmen, bis sie aus eigenem Antrieb vor einem Gasthaus auf der rechten Seite der Straße, ungefähr eine halbe Viertelmeile vor dem Ende der Ebene halt machte.
    Tom warf einen schnellen Blick auf das obere Stockwerk des Hauses, überließ die Leine dem Hausknecht und steckte die Peitsche neben den Bock. Es war ein sonderbares altes Haus, aus schmalen Backsteinen gebaut und von Querbalken durchzogen, mit Giebelfenstern, die die ganze Breite des Fußweges neben der Straße überragten, und mit einem niederen Tor und dunklem Eingang. Ein paar steile Stufen führten in das Haus hinab, während bei den modernen Gebäuden gewöhnlich ein halb Dutzend breite und niedere Stufen in das Haus hinaufgehen. Dennoch hatte das Ganze ein einladendes Aussehen, denn auf dem Schenktisch brannte ein helles, lustiges Licht, das einen breiten Strahl über die Straße warf und sogar die gegenüberstehende Hecke beleuchtete. Am entgegengesetzten Fenster flackerte ein rotes Licht, das in einem Augenblicke kaum bemerkbar war, aber im nächsten hell durch die herabgelassenen Vorhänge schimmerte und dadurch verriet, daß im Innern ein munteres Feuer brannte. Diese unbedeutenden Umstände mit dem Auge des erfahrenen Reisenden beobachtend, stieg Tom so behend ab, wie seine halberfrorenen Glieder gestatteten, und trat in das Haus.
    In weniger als fünf Minuten saß er im Hinterzimmer, demselben, worin er das Feuer vermutet hatte, vor einem einladenden Brennstoffe, der aus einem kleinen Rest Kohlen und einem Vorrat Holz, groß genug, um ein Halbdutzend ordentlicher Reiserbüschelchen daraus zu machen, bestand. Das Holz, zur anderen Hälfte noch auf dem Kamine aufgestapelt, ging mit einem Knistern und Prasseln im Feuer auf, daß sich schon an diesem Geräusche das Herz eines vernünftigen Mannes hätte erwärmen können. Das war ein behaglicher Anblick, aber es war noch nicht alles: denn ein schmuckgekleidetes Mädchen mit feurigen Augen und zierlichen Knöcheln, breitete ein sehr reines weißes Tischtuch vor ihm aus. Da Tom mit seinen Füßen, die bereits in Pantoffeln steckten, auf dem Kamingitter und mit dem Rücken der offenen Türe zugekehrt dasaß, so sah er auf dem Schenktisch durch den Spiegel, der über dem Kaminsimse hing, köstliche Reihen grüner Flaschen mit goldenen Etiketten. Er sah ferner Krüge mit eingemachten Früchten, Käse, gekochten Schinken und Ochsenfleisch, in schönster Ordnung und in appetitlichster Weise auf Brettern aufgestellt.
    Nun, dieser Anblick war auch behaglich; aber es war noch nicht alles, denn beim Büfett saß am niedlichsten aller Teetischchen, das vor dem hellsten aller Feuerchen stand, eine muntere Witwe von ungefähr achtundvierzig Jahren, mit einem Gesicht so einladend, wie das Zimmer selbst. Es war offenbar die Frau des Hauses und sie hatte die oberste Leitung über alle diese herrlichen Besitztümer. Nur eine störende Linie war in dem ganzen schönen Gemälde, und das war ein großer Mann – ein sehr großer Mann, der neben der Witwe beim Tee saß. Er hatte einen braunen Rock mit glänzenden Seidenknöpfen an, einen schwarzen Backenbart und wallendes schwarzes Haar. Es gehörte gerade kein großer Scharfblick dazu, um zu entdecken, daß er auf dem besten Wege war, seine Nachbarin zu überreden, nicht länger Witfrau zu sein, sondern auf ihn das Vorrecht zu übertragen, den ganzen Rest seines Lebens hindurch im Schenkstübchen zu sitzen.
    Tom Smart war keineswegs von reizbarer oder mißgünstiger Gemütsart. Aber sei dem wie es wolle, der große Mann in dem braunen Rock mit den glänzenden Seidenknöpfen regte das Tröpfchen Galle auf, das in seiner Natur lag, und

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