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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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wenn er einmal den Vetter anrührte, so mußte er gewiß auch bemerken, daß Maria Lobbs ganz in der Nähe war. Und obgleich die gottlose kleine Muhme und die andern Mädchen ihn zwickten, bei den Haaren zupften, ihm Stühle in den Weg stellten und manche Possen spielten, so schien doch Maria Lobbs niemals ihm nahe zu kommen, und einmal – einmal hätte Nathaniel Pipkin darauf schwören können, er vernehme den Schall eines Kusses, gefolgt von einem leisen Schmälen der Maria Lobbs und einem halb unterdrückten Kichern ihrer Freundinnen. Alles das war sonderbar – sehr sonderbar, und man kann nicht sagen, was Nathaniel Pipkin deswegen getan oder nicht getan haben würde, wenn seine Gedanken nicht plötzlich in einen neuen Kanal abgeleitet worden wären.
    Was seinen Gedanken die neue Richtung gab, war ein neues Klopfen an der Haustür, und die Person, die so laut an der Haustür klopfte, war niemand anders, als der alte Lobbs selbst, der unerwartet zurückgekehrt war, und trotz einem Küper darauf loshämmerte, denn es verlangte ihn nach dem Abendessen. Diese schreckliche Kunde war nicht sobald von dem knöchernen Lehrjungen mit den dünnen Beinen überbracht worden, als die Mädchen schnell die Treppe hinauf in Maria Lobbs Schlafzimmer huschten. Der Vetter aber und Nathaniel Pipkin wurden in Ermangelung besserer Schlupfwinkel in ein paar Wandschränke gesteckt. Nachdem Maria Lobbs und die gottlose kleine Base alles auf die Seite geschafft und im Zimmer aufgeräumt hatten, öffneten sie die Haustür dem alten Lobbs, der andauernd gehämmert hatte.
    Unglücklicherweise war der alte Lobbs wie gewöhnlich, wenn er großen Hunger verspürte, abscheulich schlechter Laune. Nathaniel Pipkin konnte ihn deutlich knurren hören, wie einen alten Hofhund mit heiserer Kehle, und so oft der unglückliche Lehrjunqe mit den dünnen Beinen ins Zimmer kam, so begann der alte Lobbs ganz türkisch zu fluchen und zu donnern; dabei natürlich aus keinem andern Grunde, als um seine Brust von der Last überflüssiger Flüche zu befreien. Endlich wurde das Abendessen, das man aufgewärmt hatte, auf den Tisch gestellt, und nun griff der alte Lobbs wie ein hungriger Wolf zu: nachdem er sodann in möglichster Bälde aufgeräumt hatte, küßte er die Tochter und verlangte seine Pfeife.
    Die Natur hatte Nathaniel Pipkins Knie nicht sehr nahe zusammengestellt: als er aber den alten Lobbs nach seiner Pfeife verlangen hörte, da schlugen sie gegeneinander, als ob sie sich zu Pulver reiben wollten, denn in dem nämlichen Schrank, in dem er sich befand, hing an ein paar Nägeln die Pfeife mit dem großen, silberbeschlagenen, braungerauchten Kopfe, die er seit den letzten fünf Jahren regelmäßig jeden Nachmittag und Abend im Munde des alten Lobbs gesehen hatte. Die beiden Mädchen sprangen dieser Pfeife wegen treppauf und treppab. Sie suchten nach ihr überall, nur nicht da, wo sie, wie ihnen sehr wohl bewußt, zu finden war. Der alte Lobbs aber tobte inzwischen ganz schrecklich. Endlich fiel ihm der Schrank ein, und er ging auf ihn zu. Ein kleiner Mann, wie Nathaniel Pipkin, konnte nicht mit Erfolg die Tür innen festhalten, wenn ein großer, starker Mann, wie der alte Lobbs, sie nach außen riß. Der alte Lobbs tat nur einen Ruck: sie flog auf und enthüllte Nathaniel Pipkin, der aufrecht darin stand und vom Kopf bis zu den Füßen zitterte. Lieber Himmel, mit welchem schrecklichen Blick der alte Lobbs ihn ansah, ihn beim Kragen herausriß und auf Armlänge vor sich hinhielt!
    »Wie zum Teufel kommt Ihr da hinein?« schrie der alte Lobbs mit furchtbarer Stimme.
    Da Nathaniel Pipkin keine Antwort zu geben vermochte, so schüttelte ihn der alte Lobbs zwei oder drei Minuten lang hin und her, um ihm seine Gedanken in Ordnung zu bringen.
    »Was macht Ihr hier?« brüllte Lobbs von neuem; »ich glaube beinahe, Ihr seid meiner Tochter wegen gekommen?«
    Der alte Lobbs sagte dies nur zum Hohn, denn er glaubte nicht, daß menschliche Frechheit so weit gehen könnte, um Nathaniel Pipkin zu einem solchen Schritte zu verführen. Wie groß war sein Zorn, als das arme Männlein erwiderte:
    »Ja, Herr Lobbs, das bin ich – ich bin Ihrer Tochter wegen gekommen. Ich liebe sie, Herr Lobbs.«
    »Wie, Ihr triefnäsiger, schiefmäuliger, kleiner Knirps!« keuchte der alte Lobbs, bei diesem verwegenen Geständnis wie vom Donner gerührt. »Was soll das bedeuten? Ihr könnt mir so etwas ins Gesicht sagen? Hol’ mich der Teufel, wenn ich Euch nicht den Hals

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