Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
darüber nach, was er wohl tun solle, wenn sie, was unfehlbar bald geschehen mußte, umkehrten, und dann von Angesicht zu Angesicht vor ihn träten.
    Aber obgleich er zu blöde war, sich ihnen anzuschließen, so konnte er es doch nicht über sich gewinnen, sie aus den Augen zu lassen. Wenn sie daher schneller gingen, so ging auch er schneller, schlenderten sie langsam, so schlenderte er auch, und blieben sie stehen, so blieb er ebenfalls stehen. So würden sie es vielleicht bis zum Einbruch der Nacht getrieben haben, hätte nicht Kätchen schelmisch zurückgeblickt und Nathaniel aufmunternd zugewinkt, daß er näher kommen sollte. Kätchen hatte etwas schlechterdings Unwiderstehliches in ihrem Wesen, und so folgte Nathaniel Pipkin der Einladung.
    Nach vielem Erröten von seiner Seite und einem unmäßigen Gekicher seitens der gottlosen kleine Base ließ sich Nathaniel Pipkin auf dem betauten Grase auf seine Knie nieder und erklärte, daß er fest entschlossen sei, hier auf immer zu bleiben, wenn man ihm nicht erlaube, als der angenommene Liebhaber der Maria Lobbs aufzustehen. Jetzt drang das lustige Gelächter der Maria Lobbs durch die ruhige Nachtluft – ohne jedoch dieselbe, wie es schien, zu beunruhigen, denn es klang so überaus lieblich – und das gottlose kleine Bäschen kicherte noch unmäßiger als zuvor, und Nathaniel Pipkin errötete tiefer als je.
    Endlich, als Maria Lobbs von dem liebekranken kleinen Manne immer heftiger bestürmt wurde, wandte sie ihr Haupt ab und flüsterte ihrer Base zu, sie solle sagen (oder Kätchen tat wenigstens, als hätte sie so gesagt), daß sie sich durch Herrn Pipkins Bewerbung hochgeehrt fühle; freilich habe ihr Vater über ihre Hand und ihr Herz zu verfügen, aber gegen Herrn Pipkins Verdienst könne niemand unempfindlich sein. Da das alles mit großer Ernsthaftigkeit gesagt wurde, und da Nathaniel Pipkin mit Maria Lobbs nach Hause ging und ihr beim Abschied beinahe einen Kuß geraubt hätte, so legte er sich als glücklicher Mann zu Bett und träumte die ganze Nacht davon, wie der alte Lobb erweicht, die große Truhe geöffnet und Maria heimgeführt wurde.
    Am andern Tag sah Nathaniel Pipkin den alten Lobbs auf seinem alten grauen Klepper ausreiten. Nachdem die gottlose kleine Base am Fenster eine Menge Zeichen gemacht hatte, deren Gegenstand und Bedeutung er keineswegs verstehen konnte, sprang der knöcherne Lehrjunge mit den dünnen Beinen zu ihm herüber und sagte ihm, sein Herr werde die ganze Nacht nicht nach Hause kommen, und die Damen erwarten Herrn Pipkin Schlag sechs Uhr zum Tee. Wie an diesem Tage Schule gehalten wurde, wußte weder Nathaniel Pipkin noch seine Zöglinge. Aber auch diese Stunden gingen einmal vorüber, und als die Jungen heimgegangen waren, wandte Nathanicl Pipkin alle übrige Zeit bis sechs Uhr dazu an, sich zu seiner Zufriedenheit anzukleiden. Nicht als ob er sich lange hätte besinnen müssen, welchen Anzug er an diesem Tage tragen solle, da ihm hierin überhaupt keine Wahl zustand, aber die unendlich wichtige und schwierige Aufgabe war, seinen Anzug so anzuziehen, daß er darin aufs Vorteilhafteste erscheinen mußte.
    Es war eine allerliebste kleine Gesellschaft zusammen, bestehend aus Maria Lobbs, ihrer Base Kätchen und drei oder vier mutwilligen, muntern, rosenwangigen Mädchen. Nathaniel Pipkin überzeugte sich durch den Augenschein, daß die Gerüchte von den Schätzen des alten Lobbs nicht übertrieben waren. Die Teekanne, der Milchtopf und die Zuckerbüchse, alles von echtem Silber, standen wirklich auf dem Tisch, ebenso echt silberne Löffelchen, um den Tee umzurühren, desgleichen echte Porzellantassen, um daraus zu trinken, und echte Porzellanplatten, worauf die Kuchen und Weißbrotschnitten lagen. Das einzige Unangenehme im ganzen Hause war ein Vetter von Maria Lobbs, ein Bruder von Kätchen, den Maria Lobbs ›Heinrich‹ nannte, und der Maria Lobbs an der einen Seite des Tisches für sich allein in Beschlag genommen zu haben schien. Es ist ja gewiß etwas Herrliches, bei Familien Zuneigung und Liebe zu erblicken, aber man muß nichts übertreiben. Nathaniel Pipkin konnte sich des Gedankens nicht erwehren, daß Maria Lobbs eine ganz besondere Zärtlichkeit für ihre Verwandten hegen müsse, wenn sie ihnen allen so viele Aufmerksamkeit schenke, wie diesem Vetter. Nach dem Tee, als die gottlose kleine Base das Blindekuhspiel vorschlug, geschah es auf die eine oder andere Art, daß Nathaniel Pipkin fast immer der Blinde war, und

Weitere Kostenlose Bücher