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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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umdrehe.«
    Es ist keineswegs unwahrscheinlich, daß der alte Lobbs in seiner grenzenlosen Wut diese Drohung ausgeführt hätte, wäre sein Arm nicht durch eine neue höchst unerwartete Erscheinung gelähmt worden, nämlich durch den Vetter, der aus seinem Schrank hervortrat, auf den alten Lobbs zuging und sagte:
    »Ich kann nicht zugeben, Sir, daß dieser harmlose Mensch, den die Mädchen zum Spaß eingeladen haben, so edelmütig das Verbrechen (wenn es nämlich ein Verbrechen ist) auf sich nimmt, dessen ich selbst schuldig bin und das ich jetzt bekennen will. Ich liebe Eure Tochter, Sir, und ich bin hierher gekommen, um sie zu sehen.«
    Der alte Lobbs riß seine Augen weit auf, aber nicht weiter, als Nathaniel Pipkin.
    »Du?« fragte Lobbs, als er endlich wieder zu Atem gekommen war.
    »Ja, ich.«
    »Aber ich habe dir doch schon lange mein Haus verboten.«
    »Allerdings, sonst würde ich nicht verstohlen bei Nacht gekommen sein.«
    Es tut mir leid, von dem alten Lobbs sagen zu müssen, daß er den Vetter wahrscheinlich zu Boden geschlagen hätte, wäre nicht seine hübsche Tochter mit ihren glänzenden, in Tränen schwimmenden Augen fest an seinem Arme gehangen.
    »Wehre ihm nicht, Marie«, sagte der junge Mann; »wenn er mich schlagen will, so laß ihn. Ich möchte um alle Reichtümer der Welt kein Haar seines grauen Alters verletzen.«
    Bei diesem Vorwurf senkte der Alte die Augen und sie begegneten denen seiner Tochter.
    Ich habe bereits ein- oder zweimal gesagt, daß es sehr glänzende Augen waren, und obgleich sie jetzt voll Tränen standen, so wurde doch ihre Macht dadurch keineswegs geschwächt. Der alte Lobbs blickte weg, als wolle er verhüten, sich von ihr überreden zu lassen. Aber der Zufall fügte es, daß seine Blicke dem Gesicht der gottlosen kleinen Base begegneten, die halb für ihren Bruder zitternd, halb über Nathaniel Pipkin lachend, so schelmisch und bezaubernd aussah, daß kein Mann, weder alt noch jung, sie ungestraft anschauen konnte. Sie schob schmeichelnd ihren Arm in den des Alten, flüsterte ihm etwas ins Ohr, und der alte Lobbs mochte machen, was er wollte, er mußte lächeln, während ihm zu gleicher Zeit eine Träne die Wange hinabrollte.
    Nach fünf Minuten wurden auch die Mädchen aus dem Schlafzimmer herabgeholt und erschienen mit mädchenhaftem Gekicher. Während nun das junge Volk wieder ganz lustig wurde, nahm der alte Lobbs die Pfeife, zündete sie an und, komisch – daß gerade diese Pfeife Tabak die lieblichste und angenehmste war, die er jemals geraucht hatte.
    Nathaniel Pipkins hielt es fürs beste, sein Geheimnis für sich zu behalten, und stieg dadurch bei dem alten Lobbs, der ihn mit der Zeit das Rauchen lehrte, zu hoher Gunst empor. So saßen sie denn noch manches Jährlein an schönen Abenden draußen im Garten und schmauchten und tranken mit vielem Behagen. Nathaniel Pipkin erholte sich bald von den Wirkungen seiner Liebe, denn wir finden im Kirchenbuche seinen Namen als Zeugen bei der Hochzeit der Maria Lobbs mit ihrem Vetter. Auch geht aus anderen Urkunden hervor, daß er in der Hochzeitnacht in das Gefängnis des Dorfes gesperrt wurde, weil er in einem Zustand gänzlicher Trunkenheit allerlei Exzesse auf den Straßen begangen, wobei der knöcherne Lehrling mit den dünnen Beinen ihm treulich Beistand geleistet hatte.

Neunzehntes Kapitel
    Worin mit wenigen Worten zwei Momente dargetan werden: erstens, die Macht der Krämpfe, und zweitens, die Gewalt der Umstände.
     
    Zwei Tage nach dem Frühstück bei Madame Hunter blieben die Pickwickier noch in Eatanswill und harrten ängstlich auf die Nachrichten von ihrem verehrten Meister. Herr Tupman und Herr Snodgraß waren wieder lediglich auf ihre eigenen geselligen Talente angewiesen; denn Herr Winkle wohnte auf die dringendsten Einladungen hin dauernd in Potts Hause, allwo er seine ganze Zeit der liebenswürdigen Gattin Potts widmete. Bisweilen vermehrte Herr Pott selbst die Gesellschaft, um das Glück der beiden vollständig zu machen. Tief in seine großartigen Pläne für die öffentliche Wohlfahrt und die Unterdrückung des Unabhängigen versunken, pflegte sich dieser große Mann von seinem hohen geistigen Standpunkt nicht in die niedrige Sphäre gewöhnlicher Geister herabzulassen. Bei dieser Gelegenheit aber und offenbar, um einen Pickwickier dadurch zu ehren, stieg er von seinem Thronsockel herab, um auf der ebenen Erde zu wandeln, wobei er gütig seine Bemerkungen dem Verständnisse der großen Menge

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