Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
unzweifelhafte Recht des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, sich für ihn zu verlieben, sowie allen politischen und diplomatischen Gebräuchen zuwider, bereits auf eigene Faust ein Liebchen ausgesucht und sich heimlich mit der schönen Tochter eines edlen Atheners verlobt.
    Hier haben wir einen schlagenden Beweis von den mannigfaltigen Vorteilen der Zivilisation und feinerer Gesittung. Hätte der Prinz in späteren Zeiten gelebt, so hätte er sich ohne weiteres mit dem Gegenstande der Wahl seines Vaters vermählt und sodann allen Ernstes daran gedacht, sich von der Bürde zu befreien, die so schwer auf ihm lastete. Er hätte sich bemüht, sie durch systematische Mißhandlungen und Vernachlässigungen ins Grab zu bringen, oder wenn der gute Takt ihres Geschlechts und ein stolzes Bewußtsein, daß sie diese Unbilden nicht verdient, sie dennoch aufrechterhalten hätte, so wäre er zu schnelleren und sichereren Mitteln, sie loszuwerden, geschritten. Dem Prinzen Bladud dagegen fiel keiner dieser Auswege ein – er bat seinen Vater um eine geheime Unterredung und eröffnete sich ihm.
    Es ist ein altes Vorrecht der Könige, alles zu beherrschen, nur ihre Leidenschaften nicht. König Lud geriet in eine schreckliche Wut, schleuderte seine Krone bis an die Zimmerdecke empor und fing sie wieder auf – in jenen Tagen hatten nämlich die Könige ihre Kronen auf dem Kopf und nicht im Tower – er stampfte auf den Boden, schlug sich vor die Stirn, jammerte, daß sein eigen Fleisch und Blut sich gegen ihn empöre, endlich aber rief er seine Leibwache und befahl ihr, den Prinzen alsbald in einen tiefen Turm zu werfen. Das war die gewöhnliche Art, wie die Könige in früheren Zeiten mit ihren Söhnen verfuhren, wenn sie im Punkte der Vermählung andere Absichten hegten, als ihre Väter.
    Nachdem der Prinz Bladud beinahe ein Jahr lang in dem hohen Turm eingesperrt gewesen, ohne eine andere Aussicht für seine leiblichen Augen als eine steinerne Wand, oder für die Augen seines Geistes als langwierige Gefangenschaft, begann er natürlich einen Plan zur Flucht zu entwerfen, den er nach mondenlangen Vorbereitungen glücklich ausführte. Er ließ absichtlich sein Tischmesser im Herzen des Kerkermeisters stecken, damit der arme Bursche, der Familie hatte, von dem rasenden König nicht als Beförderer seiner Flucht angesehen und bestraft werden möchte.
    Der König war wie wahnsinnig ob des Entrinnens seines Sohnes. Lange wußte er nicht, an wem er seinen Kummer und Zorn auslassen konnte, bis er sich zum Glück des Lord Kammerherrn erinnerte, der den Prinzen nach Hause begleitet hatte, und dem er seine Pension und seinen Kopf zugleich nahm. Mittlerweile durchwanderte der junge Prinz, gut verkleidet, zu Fuß die Reiche seines Vaters, in allem Ungemach aufrechterhalten und erfreut durch den süßen Gedanken an die atheniensische Jungfrau, die die unschuldige Ursache seiner grausamen Prüfungen war. Eines Tages wollte er in einem Dorfe Ruhe suchen, und da er sah, daß auf dem Rasen lustig getanzt wurde und alle Gesichter vor Freude glänzten, so wagte er es, einen der Fröhlichen, der neben ihm stand, nach der Ursache dieser allgemeinen Freude zu fragen.
    ›O Fremdling‹, war die Antwort, ›wißt Ihr denn nichts von der neuesten Proklamation unseres gnädigen Königs?‹
    ›Proklamation? Nein. Was für eine Proklamation?‹ erwiderte der Prinz, denn er war bisher nur auf ziemlich unbesuchten Nebenwegen gewandert und wußte nichts von allem, was auf den öffentlichen Straßen und überhaupt im Reiche vorging.
    ›Nun‹, sagte der Bauer: ›die fremde Dame, die unser Prinz zu heiraten wünschte, hat sich mit einem vornehmen Manne in ihrem eigenen Lande vermählt. Dies ließ der König verkünden und zugleich große öffentliche Festlichkeiten anordnen; denn natürlich wird der Prinz Bladud jetzt zurückkehren und die Dame heiraten, die sein Vater ihm ausersehen hat, zumal, da sie schön sein soll wie die Mittagssonne. Eure Gesundheit, Sir. Gott erhalte den König.‹
    Der Prinz wollte nichts mehr hören. Er floh von dem Platze und drang in die dichteste Wildnis eines nahen Waldes. So wanderte er Tag und Nacht fort unter der brennenden Sonne, wie unter dem kalten, blassen Mond, durch die dürre Hitze des Mittags, sowie durch den feuchten Frost der Nacht, in dem grauen Licht des Morgens, wie in dem roten Glanz des Abends. Er achtete so wenig auf Zeit und Weg, daß er, statt nach Athen zu gelangen, sich nach Bath verirrte.
    Da, wo

Weitere Kostenlose Bücher