Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
und Flaschen sich befanden, und als er niemand traf, klopfte er mit einer halben Krone auf den Ladentisch, um die Aufmerksamkeit der Leute zu erregen, die sich vielleicht im Hinterzimmer befinden möchten. Dies Hinterzimmer hielt er für das innerste und ganz besondere Heiligtum der Anstalt, weil das Wort »Chirurgenstube« hier aufs neue, und zwar zur Abwechslung diesmal mit weißen Lettern an die Tür gemalt war. Auf sein erstes Klopfen hörte er ein bis jetzt wohl vernehmbares Geräusch, das demjenigen ähnlich, wenn mit Rapieren gefochten wird, plötzlich auf, und beim zweiten trat ein gelehrt aussehender junger Herr mit einer grünen Brille auf der Nase und einem gewaltigen Buch in der Hand ruhig in den Laden, stellte sich hinter den Tisch und fragte nach dem Begehren seines Gastes.
»Ich bedaure, wenn ich Sie störe, Sir«, sagte Herr Winkle, »aber würden Sie nicht die Güte haben, mir zu sagen, wo –«
»Ha! ha! ha!« lachte der gelehrte junge Herr, das große Buch in die Luft werfend und mit erstaunlicher Gewandtheit in demselben Augenblicke wieder auffangend, wo es sämtliche Flaschen auf dem Tisch zu Atomen zu zertrümmern drohte. »Das nenne ich einmal einen Zufall.«
Das war es auch wirklich, denn Herr Winkle war über das auffallende Benehmen des Äskulapsohnes so über die Maßen erstaunt, daß er unwillkürlich gegen die Tür zurücktrat und äußerst unruhig über diesen sonderbaren Empfang aussah.
»Wie, – kennen Sie mich nicht?« fragte der Medikus.
Herr Winkle murmelte, er habe nicht das Vergnügen.
»Nun«, fuhr der Doktor fort, »dann habe ich noch Hoffnung: wenn mir das Glück nur ein bißchen will, kann ich die Hälfte der alten Weiber von Bristol zu Kunden bekommen. Packe dich, du verschimmelter alter Spitzbube, fort mit dir!«
Unter dieser Verwünschung, die dem großen Buche galt, schleuderte der Doktor das Werk mit bewundernswürdiger Fertigkeit nach dem entfernten Ende des Ladens, nahm seine grüne Brille ab und ließ das leibhaftige Grinsen des Robert Sawyer Esquire, früher in Guys-Hospital, mit einer Privatwohnung in Landstreet, erkennen.
»Sie haben mich also nicht sogleich erkannt?« fragte Herr Bob Sawyer, mit freundschaftlicher Wärme Herrn Winkle die Hand schüttelnd.
»Auf Ehre nicht«, antwortete Herr Winkle, den Druck erwidernd.
»Haben Sie denn meinen Namen nicht gesehen?« fuhr Bob Sawyer fort, die Aufmerksamkeit seines Freundes auf die äußere Türe lenkend, wo ebenfalls weiß angemalt die Worte standen: »Sawyer, früher Nockemorf.«
»Ich habe es nicht bemerkt«, erwiderte Herr Winkle.
»Bei Gott, wenn ich gewußt hätte, daß Sie es sind, so wäre ich sogleich herausgestürzt und hätte Sie in meine Arme geschlossen«, sagte Bob Sawyer: »aber so wahr ich lebe, ich meinte es sei der Steuereinnehmer.«
»Wirklich?« fragte Herr Winkle.
»Ja«, antwortete Bob Sawyer: »und ich wollte eben sagen, ich sei nicht zu Hause. Möchte übrigens wissen, was er mir mitzuteilen hätte, denn er kennt mich so wenig wie der Beleuchtungs- und Pflastersteuereinnehmer. Der Steuerbote für die Kirche indes scheint zu erraten, wer ich bin, und der Wassersteuerbote kennt mich auch; denn diesem habe ich gleich nach meiner Ankunft einen Zahn ausgezogen. Doch kommen Sie jetzt, treten Sie herein.«
So schwatzend trieb Herr Bob Saywer seinen Freund Winkle in das Hinterzimmer, allwo niemand Geringerer als Herr Benjamin Allen saß und zu seinem Zeitvertreib mit einem glühenden Schüreisen kleine runde Löcher in das Kamingesims bohrte.
»Wahrhaftig«, sagte Herr Winkle, »das ist ein Vergnügen, das ich nicht erwartet hätte. Sie haben ja einen recht hübschen Platz hier.«
»O ja, so ziemlich«, erwiderte Bob Sawyer. »Ich machte bald nach unserer köstlichen Abendgesellschaft das Examen? meine Freunde schossen mir das Nötige zur Einrichtung vor, und nun legte ich mir einen schwarzen Anzug nebst einer Brille bei, um so feierlich wie möglich auszusehen, und kam hierher.«
»Sie haben ohne Zweifel ein recht hübsches Geschäftchen?« fragte Herr Winkle mit einem Kennerblick.
»O ja«, erwiderte Bob Sawyer; »so hübsch, daß Sie nach Verfluß von wenigen Jahren den ganzen Profit in ein Weinglas legen und mit einem Stachelbeerblatt bedecken können.«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?« meinte Herr Winkle. »Schon die Vorräte –«
»Lauter Larifari, Freundchen«, sagte Bob Sawyer. »In der einen Hälfte der Schubladen ist gar nichts, und die andern können nicht
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