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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Redlaw aus und klammerte sich an die Hoffnung, die in diesen Worten zu liegen schien, »kann ich ungeschehen machen, was ich getan habe?«
    »Nein«, antwortete das Phantom.
    »Ich bitte nicht um Heilung für mich selbst«, sagte Redlaw. »Was ich hingegeben, gab ich mit freiem Willen hin und habe es mit Recht verloren. Aber für die, die ich mit der unseligen Gabe angesteckt, die nie danach verlangt, die, ohne es zu wissen, verflucht wurden und die die Macht nicht hatten, sich zu wehren, kann ich nichts für diese tun?«
    »Nichts!« sagte das Phantom.
    »Auch niemand anderer?«
    Unbeweglich wie ein Steinbild hatte ihn das Phantom eine Zeitlang fest angestarrt, dann wandte es plötzlich den Kopf und sah auf den Schemen an seiner Seite.
    »Oh, kann sie es tun?« schrie Redlaw und sah immer noch den Schatten an.
    Das Phantom ließ die Hand los, die es bis jetzt festgehalten, und winkte der Erscheinung, zu verschwinden. Daraufhin begann der Schemen der Frau, ohne seine Stellung zu verändern, sich zu entfernen oder in der Luft zu zergehen.
    »Halt!« rief Redlaw mit einer Inbrunst, der er gar nicht genug Ausdruck verleihen konnte, »einen Augenblick noch. Barmherzigkeit! Ich fühlte, daß eine Veränderung mich überkam, als vorhin jene Klänge in der Luft schwebten. Sage mir, habe ich die Kraft verloren, ihr zu schaden? Kann ich mich ihr nahen ohne Furcht? O laß sie mir nur ein Zeichen der Hoffnung geben!«
    Das Phantom blickte die Erscheinung an wie er und antwortete nicht.
    »Wenigstens sag mir das eine, hat sie künftighin das Bewußtsein der Macht, wiedergutmachen zu können, was ich verbrochen?«
    »Das hat sie nicht«, antwortete das Gespenst.
    »Hat sie die Macht, ohne sich dessen bewußt zu sein?«
    Das Phantom antwortete: »Suche sie auf!«
    Und Millys Schatten verschwand langsam.
    Sie standen einander wieder gegenüber, Auge in Auge, das Gespenst und er, und wieder herrschte die schreckliche Spannung wie damals, als er die Gabe erhielt, und zwischen ihnen lag der Knabe zu Füßen des Doppelgängers.
    »Fürchterlicher Lehrmeister«, sagte der Chemiker und sank vor dem Geiste flehend auf die Knie, »der sich von mir lossagte und doch wiedergekommen ist; wie gern würde ich darin und daß dein Antlitz milder schaut, einen Schimmer von Hoffnung sehen. Ich will dir, ohne zu fragen, gehorchen und flehe nur, daß der Ruf, den ich in der Angst meiner Seele ausgestoßen, erhört werde, um derer willen, die ich geschädigt habe, so daß kein Mensch sie wieder heilen kann! Doch noch etwas liegt mir auf dem Herzen – – –«
    »Du sprichst von dem Geschöpf, das hier liegt«, unterbrach ihn das Gespenst und deutete mit dem Finger auf den Knaben.
    »Ja«, erwiderte der Chemiker. »Du weißt, was ich fragen möchte. Warum ist dieses Kind allein gefeit gegen meinen Einfluß, und warum, warum liegt in seinem Denken so eine furchtbare Übereinstimmung mit meinem?«
    »Das«, sagte das Phantom und deutete auf den Knaben, »ist das letzte und vollkommenste Beispiel eines menschlichen Wesens, das all der Erinnerungen beraubt ist, auf die auch du verzichtet hast. Kein Erinnern an Kummer, Unrecht und Sorge dringt mildernd hier ein, weil dieses unglückliche Menschenkind von Geburt an schlimmer als ein Tier aufgewachsen ist und weil in seiner verhärteten Brust kein Gegensatz lebt, kein menschlicher Zug, der einen Keim solchen Gedächtnisses zum Sprießen bringen könnte. Das Innere dieses verlassenen Geschöpfs ist Öde und Wildnis. Wehe einem solchen Menschen, zehnfach Wehe einem Volk, das Ungeheuer wie dieses, das hier am Boden liegt, zu Hunderten und Tausenden zählt!«
    Entsetzt schauderte Redlaw zusammen.
    »Allesamt«, sagte das Phantom, »eins wie das andere, streuen sie eine Saat aus, die die Menschheit ernten muß. Aus jedem Keim des Bösen in diesem Kind schießt eine Aussaat des Verderbens auf, die dereinst geerntet, aufgespeichert und wieder ausgesät wird an vielen Stellen der Welt, bis die Länder, überwuchernd von Verworfenheit, die Wasser einer neuen Sintflut heraufbeschwören. Offenkundiger und unbestrafter Mord, täglich geduldet in den Straßen einer Stadt, wäre weniger verderblich als ein Anblick wie dieser.«
    Das Phantom schien auf den schlummernden Knaben herabzublicken. Auch Redlaw sah ihn an, doch mit einem andern Gefühl als früher.
    »Jeder Vater«, sagte das Gespenst, »an dem solche Geschöpfe vorübergehen, zu jeder Stunde des Tags und der Nacht, jede Mutter unter all den Müttern dieses

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