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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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sperrte sie auf, trat mit dem Jungen hinein und eilte durch die dunkeln Gänge in sein Zimmer. Der Junge ließ ihn nicht aus den Augen, als die Tür abgesperrt wurde, und verkroch sich unter den Tisch.
    »Sie, fassen Sie mich nicht an!« sagte er. »Sie wollen mir wohl mein Geld nehmen?«
    Redlaw warf noch einige Geldstücke auf den Boden. Der Junge warf sich sogleich mit dem Körper über sie, wie um sie vor dem Blick des Mannes zu verbergen und damit er nicht am Ende Lust bekäme, sie wieder zurückzufordern. Erst als er den Chemiker wieder bei der Lampe sitzen sah, das Gesicht in den Händen vergraben, fing er an, das Geld verstohlen aufzulesen. Als er damit fertig war, schlich er sich ans Feuer, setzte sich in einen großen Stuhl, holte aus der Brust ein paar Speiseüberreste und fing an zu kauen und in die Glut zu starren, dann und wann seine Schillinge anschauend, die er fest in der geballten Hand hielt.
    »Und dieses da«, sagte Redlaw mit wachsendem Widerwillen und Grausen, »ist der einzige Gefährte, der mir noch auf Erden bleibt.«
    Wie lange es währte, ehe er aus der Betrachtung des Geschöpfes, das er so verabscheute, erwachte, ob es eine halbe Stunde oder die halbe Nacht währte, er wußte es nicht. Aber plötzlich horchte der Junge auf und unterbrach die Stille des Zimmers, indem er aufsprang und nach der Türe lief.
    »Die Frau kommt!«
    Der Chemiker riß ihn zurück, doch schon klopfte es an die Türe.
    »Lassen Sie mich zu ihr«, rief der Junge.
    »Jetzt nicht«, entgegnete der Chemiker. »Hiergeblieben! Niemand darf jetzt herein oder heraus. Wer ist da?«
    »Ich bin’s, Sir«, rief Milly. »Bitte, machen Sie auf!«
    »Nein, nein!«
    »Mr. Redlaw, bitte, bitte, lassen Sie mich hinein!«
    »Was gibt es?« fragte er und hielt den Knaben fest.
    »Der Unglückliche, bei dem Sie eben waren, liegt im Sterben, und nichts, was ich mit ihm spreche, kann ihn aus seiner entsetzlichen Verblendung reißen. Williams Vater ist im Handumdrehen kindisch geworden, William selbst ist wie ausgewechselt. Der Schlag ist zu plötzlich gekommen. Ich verstehe ihn nicht mehr. Er gleicht sich selbst nicht mehr. Ach, Mr. Redlaw, bitte, raten Sie mir, helfen Sie mir.«
    »Nein, nein, nein!« gab der Chemiker zur Antwort.
    »Sir, lieber Mr. Redlaw, Georg hat in seinem Halbschlummer von dem andern Mann gesprochen, den Sie dort sahen. Er fürchtete, er werde sich umbringen.«
    »Besser, er tut’s, als daß er in meine Nähe kommt.«
    »Er sagte in seinen Phantasien, Sie kennen ihn. Er wäre vor langer Zeit Ihr Freund gewesen, er sei der unglückliche Vater eines Studenten hier – wie mir schwant, des jungen Herrn, der krank gewesen ist. Was soll ich tun? Wie soll man auf ihn aufpassen? Wie soll man ihn retten? O Mr. Redlaw, bitte, bitte, raten Sie mir, helfen Sie mir doch.«
    Während der ganzen Zeit hielt der Chemiker den Knaben fest, der wie ein Wahnsinniger sich von ihm losreißen wollte, um Milly hereinzulassen.
    »Ihr Gespenster, ihr, die ihr gotteslästerliche Gedanken bestraft«, meinte Redlaw voll Verzweiflung, »schauet auf mich herab! Möge aus der Finsternis meines Geistes der Funken der Reue, der dort noch glimmt, aufleuchten und euch mein Elend zeigen! In der Welt des Stoffes ist alles notwendig, wie ich immer lehrte. Kein Atom, keine Stufe an dem wunderbaren Bau kann verlorengehen, ohne daß es nicht eine unausfüllbare Lücke in das große Weltall risse. Jetzt erkenne ich, daß es ebenso ist mit Gut und Böse, mit Freud und Leid im Gedächtnis der Menschen. Erbarmt euch meiner! Erlösung!«
    Keine Antwort als Millys »Helfen Sie mir, helfen Sie mir! Machen Sie auf«, und des Jungen stummes Ringen, um zu ihr zu gelangen.
    »Schatten meines Ichs, Geist meiner trüben Stunden«, rief Redlaw außer sich, »komm zurück und suche mich heim Tag und Nacht, nur nimm diese Gabe von mir, oder wenn sie doch hinfort auf mir lasten soll, so nimm mir wenigstens die furchtbare Kraft, sie auch auf andere übertragen zu müssen. Mache ungeschehen, was ich getan habe! Lasse mich umnachtet sein, nur gib jenen den Tag zurück, über die ich den Fluch gebracht habe. So wahr ich diese Frau von Anfang an verschont habe, so wahr will ich dieses Zimmer nie wieder verlassen, und keine Hand soll mich pflegen; nur dieses Geschöpf, das gegen mich gefeit ist, soll bei mir sein – höre mich!«
    Die einzige Antwort war noch immer das Ringen des Knaben, der zu Milly wollte, und ihr immer verzweifelter werdender Schrei: »Helfen Sie mir,

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