Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
junger Damen, verschiedene alte Herren und noch mehr trinkende und schwatzende Mietskutscher und Kabriolettführer; und Mr. Thomas Potter sowie Mr. Robert Smithers tranken kleine Gläser Branntwein und große Gläser Sodawasser, bis sie anfingen, von den Dingen im allgemeinen, wie von jeglichem Dinge im besondern nur sehr verwirrte Vorstellungen zu haben –: und als sie sich selbst bewirtet hatten, begannen sie alle anderen Leute zu traktieren, und das Ende der Vergnüglichkeit bestand in einem bunten Gemisch von Köpfen und Fersen, blauen Augen und blauen Uniformen, Straßenschmutz und Gaslichtern, dicken Eichentüren und einem Steinpflaster. Das Weitere von da an war eine »vollkommene Leere«; die Leere wurde am folgenden Morgen mit dem Wörtchen »Polizeiwache« ausgefüllt, sowie die Polizeiwache mit den Herren Smithers und Potter und dem größeren Teile ihrer Gasthausgesellschafter der vorigen Nacht nebst einem verhältnismäßig geringen Teil von Kleidungsstücken aller Art. Und auf der Polizei, zur Entrüstung der Richterbank und zum Erstaunen der Zuhörer, kam es an den Tag, wie ein gewisser Robert Smithers, angestiftet von einem gewissen Thomas Potter und unter dem Beistand »desselben«, in mehreren Straßen und zu verschiedenen Zeiten fünf Männer, vier Knaben und drei Frauen geschlagen und zu Boden geworfen; wie sich »besagter« Thomas Potter verbrecherisch in den Besitz von fünf Türklopfern, zwei Klingelgriffen und einem Frauenhut gesetzt; wie Robert Smithers, des »Besagten« Freund, wenigstens für fünfzig Pfund Flüche – das Stück zu fünf Schillingen gerechnet – ausgestoßen, ganze Straßen voll ruhiger Bürger durch fürchterliches Geschrei und Feuerrufen erschreckt, fünf Polizeidienern die Uniform verdorben und sich noch vieler anderer strafwürdiger Vergehen, zu zahlreich, um sie alle aufzählen zu können, schuldig gemacht habe. Und der Friedensrichter nahm nach einem angemessenen Vorhalt Mr. Thomas Potter und Mr. Robert Smithers jeden um fünf Schillinge in Strafe wegen Trunkenheit, wie der vulgäre Ausdruck des Gesetzes lautet, und um die Kleinigkeit von vierunddreißig Pfunden wegen siebzehn bewiesener Angriffe auf Personen, das Stück zu fünf Schilling, wobei es ihnen überlassen bleiben sollte, sich mit den Anklägern zu vergleichen.
Die Ankläger ließen mit sich reden, die Herren Potter und Smithers lebten indes ein Quartal auf Kredit, so gut sie konnten, und haben es nie wieder unternommen, sich einen lustigen Abend zu machen, obwohl die Ankläger sich sehr bereit erklärten, unter denselben Bedingungen zweimal wöchentlich Angriffe auf ihre Personen zu erdulden.
Kleine Geschichten
Das Boarding-Haus
I
Mrs. Tibbs war ohne alle Frage die netteste, beweglichste, wirtschaftlichste kleine Frau, die jemals den Londoner Rauch einatmete, und ihr Haus in der großen Coramstraße ein wahres Schmuckkästchen. Die Tritte vor dem letzteren, die Haustür, der Türgriff, der Klopfer, das Schild mit Mrs. Tibbs’ Namen wurden so oft und anhaltend gewaschen, gescheuert und geputzt, daß man sich wundern mußte, daß das Holz und die Steine nicht ganz weggewaschen waren und daß das Messing durch die beständige Reibung noch niemals Feuer gefangen hatte. Die ganze innere Einrichtung war die artigste und sauberste, die man sich nur denken mochte; man konnte sich in den Tischplatten spiegeln, und hell glänzte alles und jedes bis herunter zu den Haken auf der Treppe, die zur Befestigung der Fußteppiche dienten.
Mrs. Tibbs war klein und Mr. Tibbs nichts weniger als ein großer Mann. Er hatte außerdem sehr kurze Beine; indes war dafür sein Gesicht, gleichsam zur Entschädigung, besonders lang. Er war im Verhältnis zu seiner Frau, was die Null in der Zahl neunzig ist – hatte einige Bedeutung mit ihr – war nichts ohne sie. Mrs. Tibbs sprach fortwährend, Mr. Tibbs redete nur selten; sooft es aber möglich war, ein Wort einfließen zu lassen, tat er es, meistens gerade dann, wenn er hätte ganz stillschweigen sollen. Mrs. Tibbs konnte schlechterdings keine langen Geschichten leiden, und Mr. Tibbs hatte eine solche, deren Schluß jedoch selbst seine vertrautesten Freunde niemals gehört hatten. Sie fing stets an mit den Worten: »Ich entsinne mich, als ich im Jahre eintausendachthundertundsechs unter den Freiwilligen diente« – allein, da er langsam und leise und seine Ehehälfte sehr rasch und laut sprach, so gelang es ihm selten, über den Anfang hinauszukommen. Er war daher
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