Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
versagen.
    »Ich lasse mich fortwährend ärztlich behandeln, bin seit einiger Zeit schauderhaft geplagt gewesen und habe seit Mr. Bloss’, meines Mannes, Tode sehr wenig Ruhe gehabt.«
    Mrs. Tibbs blickte die Witwe des seligen Mr. Bloss an und dachte, der hätte sicher bei seinen Lebzeiten wenig Ruhe gehabt. Sie durfte dies natürlich nicht äußern und nahm daher eine Miene zärtlicher Teilnahme an.
    »Ich werde Ihnen große Unruhe verursachen, werde jedoch gern dafür bezahlen. Ich unterziehe mich einer Behandlung, die Aufmerksamkeit notwendig macht. Ich esse jeden Morgen um halb acht Uhr im Bette meine erste Hammelkarbonade und um zehn Uhr vormittags die zweite.«
    Mrs. Tibbs verfehlte nicht, der Patientin ihr Beileid auszudrücken, und die fleischliebende Mrs. Bloss fuhr fort, mit bewundernswürdiger Präzision die Vorbedingungen herzuzählen. Mrs. Tibbs ließ sich zu allem bereit finden, und die Sache war bald abgemacht. Mrs. Bloss fügte indes noch einige Klauseln hinzu.
    »Sie können mir doch mein Schlafzimmer im zweiten Stockwerk nach vorn hinaus geben?« – »Zu Befehl, Ma’am.«
    »Sie werden auch Raum für meine kleine Dienerin Agnes finden?«
    »Zu dienen, Ma’am.«
    »Sie räumen mir einen Keller zur Aufbewahrung meines Flaschenporters ein?«
    »Mit dem größten Vergnügen, Ma’am! Er soll bis Sonnabend für Sie eingerichtet sein.«
    »Und ich denke, mich am Sonntagmorgen zum Frühstück bei Ihnen einzufinden.« »Vortrefflich«, sagte Mrs. Tibbs in ihrem süßesten Ton, denn die Nennung genügender Gewährsleute war erbeten worden und erfolgt, und es litt keinen Zweifel, daß Mrs. Bloss viel Geld hatte. »Es trifft sich ganz glücklich«, fuhr Mrs. Tibbs mit einem Lächeln fort, das so bezaubernd wie möglich sein sollte, »daß gerade auch ein Herr in meinem Hause wohnt, dessen Gesundheitszustand sehr delikat ist – ein Mr. Gobier. Das anstoßende Zimmer ist das seine.«
    »Ach, mein Gott!« rief die Witwe aus.
    »Er steht fast gar nicht auf«, flüsterte Mrs. Tibbs, »allein, wenn er aufgestanden ist, können wir ihn fast nicht bewegen, wieder zu Bett zu gehen.«
    »Woran leidet er denn?« fragte Mrs. Bloss, gleichfalls flüsternd.
    »Er hat keinen Magen.«
    »Keinen Magen!« wiederholte die Witwe kopfschüttelnd und als ob sie außer sich vor Verwunderung sei, daß sich ein Herr ohne Magen in die Kost gebe.
    »Wenn ich sage, daß er keinen Magen hat«, erläuterte die geschwätzige kleine Mrs. Tibbs, »so meine ich damit, daß seine Verdauung so geschwächt ist, daß ihm sein Magen nichts nützt, ja, ihn noch eher belästigt.«
    »Unerhört!« rief Mrs. Bloss aus. »Er befindet sich in der Tat noch schlechter als ich.«
    »Ohne allen Zweifel«, sagte Mrs. Tibbs, denn der Witwe Aussehen bewies klärlich, daß sie über Mr. Gobiers Leiden nicht zu klagen hatte.
    »Sie haben meine Neugierde in hohem Grade erregt«, versetzte Mrs. Bloss aufstehend. »Mich verlangt sehr, ihn zu sehen.«
    »Er pflegt wöchentlich einmal herunterzukommen. Sie werden ihn wahrscheinlich am Sonntag kennenlernen.«
    Mit diesem trostreichen Versprechen mußte sich Mrs. Bloss begnügen. Sie entfernte sich unter Wehklagen über ihr Leiden und unter ebenso vielen Beileidsbezeigungen von Mrs. Tibbs. Es ist fast überflüssig zu sagen, daß sie höchst gewöhnlich, unwissend und egoistisch war. Ihr Seliger hatte als Korkschneider ein hübsches Vermögen gesammelt. Er hatte keine Verwandten außer einem unbemittelten Neffen und keine Freundin außer seiner Köchin gehabt. Der erstere war eines Morgens so frech gewesen, ihn um ein Darlehen von fünfzehn Pfund zu bitten, und er hatte zur Strafe für ihn am folgenden Tage die letztere geehelicht und zugleich zu seiner Universalerbin eingesetzt. Er hatte sich nach dem Frühstück unwohl gefühlt und war nach dem Mittagessen gestorben. In der Kirche seines Kirchspiels ist ein Täfelchen zu schauen, auf dem seine Tugenden zu lesen sind und sein Sterben beklagt wird. Er hatte nie eine Rechnung unbezahlt gelassen und nie einen Heller weggegeben!
    Seine Witwe und Erbin war eine wunderliche Mischung von Schlauheit und Einfalt, Liberalität und Gewöhnlichkeit. Bei der Art ihrer Bildung und Gewohnheiten erschien ihr kein Leben so angenehm als das in einem Boarding-Hause, und da sie nichts zu tun noch zu wünschen hatte, so bildete sie sich natürlich ein, daß sie krank sei, und alle ihre Einbildungen wurden durch ihren Arzt, Doktor Wosky, und ihr Mädchen Agnes, ohne Zweifel aus

Weitere Kostenlose Bücher