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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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schöner Zähne und einen vortrefflichen Schneider. Mr. Evenson sah auf alle diese Vorzüge mit tiefer Verachtung herab, und die Folge war, daß die beiden Herren zur Erbauung aller ihrer Hausgenossen fortwährend miteinander disputierten. Mr. Wisbottle pfiff nicht nur gern, sondern hatte auch eine große Meinung von sich selbst als Sänger.
    Zwei andere Mieter waren Mr. Tomkins und Mr. O’Bleary. Tomkins war Kommis in einer Weinhandlung und Gemäldekenner und hatte ein ausgezeichnetes Auge für das Malerische. O’Bleary war ein erst vor kurzem herübergekommener Irländer, noch gänzlich wild, und in England erschienen, um Apotheker, Sekretär, Schauspieler, Reporter oder sonst etwas zu werden, wozu sich Gelegenheit darbieten möchte – er war durchaus nicht eigen oder wählerisch. Er stand mit zwei unbedeutenden irischen Parlamentsmitgliedern auf freundschaftlichem Fuße und verschaffte jedermann im Hause Briefe mit Frankovermerk. Gleich allen Irländern, wenn sie nach England herüberkommen, war er davon überzeugt, daß er vermöge seiner Verdienste ein ausgezeichnetes Glück machen müsse. Er trug schottische Unaussprechliche und sah auf der Straße allen Damen unter die Hüte. Sein Aussehen und seine Manieren erinnerten stark an einen Schauspieler.
    »Da kommt Mr. Wisbottle«, sagte Tibbs.
    Mr. Wisbottle erschien in der Tat, »Di piacer« pfeifend, trat an das Fenster und fuhr fort zu pfeifen.
    »Eine vortreffliche Melodie«, bemerkte Evenson höhnisch, ohne die Blicke von seinem Zeitungsblatt emporzuheben.
    »Freue mich, daß sie Ihnen gefällt«, erwiderte Wisbottle sehr vergnügt.
    »Glauben Sie nicht, daß sie sich noch besser ausnehmen würde, wenn Sie noch ein wenig lauter pfiffen?« fuhr Evenson knurrend fort.
    »Nein, in der Tat nicht«, entgegnete der arglose Wisbottle.
    »Ich muß mir eine Bemerkung erlauben, Wisbottle«, sagte Evenson, in dessen Innerem der Zorn seit mehreren Stunden gärte; »das nächste Mal, wenn Sie die Lust in sich spüren, um fünf Uhr morgens zu pfeifen, so haben Sie doch die Güte, den Kopf dabei aus dem Fenster zu halten. Wenn Sie’s nicht tun, so lern’ ich Triangel spielen – beim –!«
    Mrs. Tibbs’ Eintreten unterbrach den Fluß seiner Rede. Sie entschuldigte ihr verspätetes Erscheinen und begann, den Tee zu bereiten. Tibbs setzte sich ganz unten an den Tisch und fing an, Wasserkresse zu essen, gleich einem zweiten Nebukadnezar. O’Bleary und Tomkins traten ein. Mr. Alfred Tomkins ging nach dem Fenster und rief Wisbottle gleich darauf zu: »O bitte, kommen Sie einmal recht schnell hierher.« Wisbottle eilte zu ihm, und alle blickten auf.
    »Sehen Sie«, sagte der Kenner, Wisbottle in die rechte Stellung bringend, »ein wenig mehr nach dieser Seite; so! sehen Sie, wie glänzend das Sonnenlicht auf die linke Seite des zerbrochenen Schornsteins von Nummer 48 fällt?«
    »Wahrhaftig!« rief Wisbottle bewundernd aus.
    »Ich habe nie einen Gegenstand so schön gegen den klaren Himmel stehen gesehen!« rief Alfred und alle, mit Ausnahme John Evensons, stimmten ein, denn Mr. Tomkins war dafür berühmt und verdiente den Ruhm, Schönheiten zu entdecken, die sonst niemand zu entdecken vermochte.
    »Ich habe zu Dublin im College-Green häufig einen Schornstein beobachtet, der eine noch weit bessere Wirkung hervorbrachte«, sagte der patriotische O’Bleary, der es nie zugab, daß Irland in irgendeinem Punkte übertroffen wurde; allein Tomkins bezeigte den offenbarsten Unglauben und erklärte, daß sich kein Schornstein in den drei Königreichen so schön ausnehmen könne wie der auf Nr. 48. Jetzt öffnete Agnes plötzlich die Tür, und Mrs. Bloss trat ein. Sie trug ein geranienfarbiges Musselinkleid, eine goldene Uhr von dem Umfang einer kleinen Teeschale an einer Kette von der Dicke eines tüchtigen Strickes und ein glänzendes Assortiment von Ringen, mit Steinen so groß wie halbe Kronen. Mrs. Tibbs stellte die Witwe und die Herren einander vor und erkundigte sich leise nach Mrs. Bloss’ Befinden, die alle Fragen mit der vollkommensten Verachtung pedantischer, grammatikalischer Vorschriften beantwortete. Als ein allgemeines Stillschweigen eingetreten war, fragte Mrs. Tibbs, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen, den Irländer, ob ihm die Toiletten der Damen gefallen hätten, die zum letzten Empfang bei Hofe gefahren seien. Der »Schauspieler« war eifrig mit seinem Frühstück beschäftigt und erwiderte lakonisch: »Ja.«
    »Sie sahen solche Toiletten sicher noch

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