Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
wichtig-geheimnisvollsten Tone, »mich nötigt ein sehr unangenehmer Umstand, Sie um Rat zu fragen und Sie zu bitten, über das, was ich Ihnen mitteilen werde, reinen Mund gegen Ihre Frau zu halten.«
Tibbs versprach es und dachte: »Was zum Teufel mag er verübt haben? Er hat sicher eine der besten Wasserkaraffen zerbrochen.«
»Mr. Tibbs«, fuhr Calton fort, »ich befinde mich in einer einigermaßen unangenehmen Lage.«
Tibbs sah Septimus Hicks an, als ob er glaube, die Unannehmlichkeit bestände darin, daß Mr. Calton mit Mr. Hicks in demselben Hause wohne, wußte indes nicht, was er sagen sollte, und schwieg daher.
»Lassen Sie mich Sie bitten«, sprach der Türklopfer weiter, »keinen Schrei der Überraschung auszustoßen, der von den Domestiken gehört werden könnte, wenn ich Ihnen sage – ich ersuche Sie dringend, beherrschen Sie ja Ihre Gefühle –, daß zwei Bewohner dieses Hauses morgen früh Hochzeit zu machen gedenken.«
Er schob seinen Sessel einige Schritte weit zurück, um die Wirkung seiner unerhörten Mitteilung desto besser beobachten zu können. Wenn Tibbs hinausgestürzt, hinuntergetaumelt und unten in Ohnmacht gefallen – ja, wenn er aus dem Fenster gesprungen wäre, sein Benehmen würde Mr. Calton nicht unerklärlicher gewesen sein. Er steckte nämlich die Hände in die Taschen seiner Unaussprechlichen und rief mit einem innerlichen Lachen aus: »Dachte mir’s wohl!«
»Sie sind nicht überrascht, Mr. Tibbs?« fragte Calton.
»Ganz und gar nicht, Sir«, erwiderte Tibbs, »‘s ist ja so sehr natürlich. Wenn ein paar junge Leute zusammenkommen, wissen Sie –«
»Sehr wahr, sehr wahr«, fiel Calton mit einer Miene unsäglicher Selbstgefälligkeit ein.
»Sie halten die Partie also durchaus nicht für unpassend?« fragte Septimus Hicks, der Tibbs’ Mienen in stummem Erstaunen beobachtet hatte.
»Nein, Sir«, antwortete Tibbs wirklich lächelnd; »ich sah in seinem Alter ebenso aus.«
»Wie vortrefflich ich mich konserviert haben muß!« dachte der entzückte alte Dandy; denn er wußte, daß er wenigstens zehn Jahre älter als Tibbs war. »Lassen Sie uns sogleich zur Sache kommen«, sagte er. »Wollen Sie die Güte haben, die Rolle des Brautvaters zu übernehmen?«
»Gern«, erwiderte Tibbs, fortwährend ohne die mindeste Spur von Überraschung.
»Gewiß?«,
»Von Herzen gern«, wiederholte Tibbs, der so ruhig aussah wie ein Krug Bier, das ausgeschäumt hat.
Calton ergriff die Hand des unter Schürzenregiment stehenden kleinen Mannes und schwur ihm ewige Freundschaft. Hicks tat dasselbe.
»Bekennen Sie nun aber«, sagte Calton, als Tibbs sich anschickte, hinunterzugehen, »waren Sie nicht ein wenig überrascht?«
»Ei freilich, als ich zuerst davon hörte, und es war so sonderbar, mich zu bitten. Was wird aber sein Vater dazu sagen? Das möcht’ ich nur wissen.«
Hicks und Calton sahen einander an.
»Das Beste dabei ist«, sagte Calton endlich kichernd, »daß ich keinen Vater habe.«
»Sie freilich nicht, aber er«, sagte Tibbs.
»Wer?« fragte Hicks zornig.
»Nun er.«
»Wer denn? Kennen Sie mein Geheimnis? Meinen Sie mich?«
»Gott bewahre! Sie wissen ja wohl, wen ich meine.«
»Um des Himmels willen, wen meinen Sie?« fragte Calton, der gleich Mr. Hicks fast von Sinnen war vor Verwirrung.
»Nun, Mr. Simpson – wen denn sonst?« entgegnete Tibbs.
»Jetzt ist mir alles klar«, rief Hicks aus. »Simpson heiratet morgen früh Julie Maplesone. »Ei natürlich!« bemerkte Tibbs.
Es würde Hogarths Pinsel erfordern, um Hicks’ und Caltons Mienen würdig zu schildern, unsere Feder ist zu schwach dazu; und ebenso unmöglich ist es uns, gehörig zu erklären – so leicht es auch unseren Leserinnen sein mag, es sich vorzustellen – welcher Künste sich die drei Damen bedient haben mochten, ihre Liebhaber zu fesseln. Doch gleichviel, sie hatten Erfolg gehabt. Der Mutter waren die Absichten ihrer Töchter keineswegs verborgen geblieben, und die Töchter kannten die Absicht ihrer verehrten Frau Mama ebenso genau. Sie meinten indes, daß die Sache ein romantischeres Aussehen bekommen würde, wenn sie sich unwissend stellten, und die Verheiratungen mußten sämtlich an demselben Tage stattfinden, da sonst die etwaige Entdeckung der einen der andern hätte störend in den Weg treten können. Daher kam es, daß Calton und Hicks mystifiziert wurden und Tibbs bereits in Beschlag genommen war.
Am folgenden Morgen wurden Mr. Septimus Hicks mit Miss Mathilde Maplesone getraut,
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