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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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lobenswerten Gründen, nach Kräften unterstützt.
    Seit der am Ende des ersten Kapitels erzählten Katastrophe war Mrs. Tibbs in betreff junger Damen als Mieter äußerst kopfscheu geworden. Ihre gegenwärtigen Hausbewohner waren lauter Herren der Schöpfung, denen sie bei Tisch die erwartete Ankunft der Witwe Bloss verkündigte. Die Herren hörten die Mitteilung mit stoischer Gleichgültigkeit an, und Mrs. Tibbs widmete alle ihre Kräfte den Vorbereitungen zur Aufnahme der Patientin. Ihre Koffer und Schachteln langten an, und endlich erschien sie selbst nebst ihrer Agnes, die in ihrem kirschfarbigen Merinokleid, Zwickelstrümpfen und Schuhen mit kreuzweis gebundenen Bändern einer verkleideten Kolombine glich.
    Die Einführung des Herzogs von Wellington als Kanzler der Universität Oxford war, was Lärm und Getümmel betrifft, nichts gegen die Einsetzung von Mrs. Bloss in ihre Appartements. Es fehlte freilich an einem Doktor der Rechte, der eine lateinische Rede gehalten hätte, wogegen aber mehrere alte Weiber anwesend waren, die ebensoviel und ebenso unverständlich redeten. Der Wirrwarr des Umzugs hatte die Karbonadenesserin so ermüdet, daß sie ihr Zimmer vor dem folgenden Morgen nicht verlassen wollte; man mußte ihr daher eine Hammelkarbonade, eine Quecksilberpille von zwei Gran, eine Flasche Doppelbier und andere Arzneien hinaufbringen.
    »Was meinen Sie wohl, Ma’am«, sagte Agnes, als Mrs. Bloss seit etwa drei Stunden eingezogen war; »was meinen Sie wohl, die Frau vom Hause ist verheiratet!« »Unmöglich!« rief Mrs. Bloss aus.
    »Sie können es glauben, Ma’am – und ihr Mann wohnt in der Küche!«
    »In der Küche!«
    »Was ich Ihnen sage, Ma’am! Und das Hausmädchen sagt, er käme niemals hinauf, ausgenommen sonntags, und Mrs. Tibbs ließe ihn die Stiefel der Herren und bisweilen auch die Fenster putzen, und eines Morgens früh, als er die Fenster des Besuchszimmers gewaschen, sei ein Herr vorübergegangen, der sonst hier gewohnt, und Mr. Tibbs habe ihm zugerufen:›Ah, Mr. Calton, wie befinden Sie sich?‹«
    Die Kolombine lachte, und Mrs. Bloss rief aus: »Hat man jemals so etwas gehört!«
    »Ja, ja, Ma’am«, fuhr Agnes fort, »und die Dienstboten geben ihm bisweilen Branntwein mit Wasser, und dann kommt er ins Weinen und sagt, daß ihm seine Frau und die Mieter in den Tod verhaßt seien und daß er sie kitzeln wollte.«
    »Die Mieter kitzeln!« rief Mrs. Bloss voll Schrecken aus.
    »Nein, Ma’am, die Mieter nicht, die Dienstboten.«
    »O, wenn es weiter nichts ist!«
    »Er wollte mich eben küssen, als ich die Treppe hinaufging«, fuhr die Kolombine entrüstet fort; »ich habe ihm aber Bescheid gesagt, dem unverschämten kleinen Wicht.«
    Was Agnes behauptete, war allerdings begründet. Die fast notwendigen Folgen der Erniedrigung, die der unglückliche, geknechtete Freiwillige erfuhr, waren eingetreten. Die Dienstmädchen waren natürlich genug seine Vertrauten und Trösterinnen und er selbst eine Art von Don Juan verkleinerten Maßstabs im Souterrain geworden.
    Das Frühstück wurde am Sonntagmorgen um zehn Uhr, eine Stunde später als an den Wochentagen, eingenommen. Tibbs war der erste im gemeinschaftlichen Zimmer und vertrieb sich die Zeit damit, einen Milchtopf mit einem Teelöffel zu leeren. Endlich trat ein Mann von ernsten Mienen und etwa fünfzig Jahren, mit sehr dünnem Haar und dem »Examiner« in der Hand, herein.
    »Guten Morgen, Mr. Evenson«, begrüßte ihn Tibbs sehr demütig.
    »Gut geschlafen, Mr. Tibbs?« entgegnete Evenson, setzte sich und fing an, sein Zeitungsblatt zu lesen, ohne sich weiter um Tibbs zu kümmern.
    »Wissen Sie nicht, ob Mr. Wisbottle in der Stadt ist?« fragte Tibbs, nur um etwas zu sagen.
    »Ich glaube; zum wenigsten pfiff er in seinem Zimmer neben dem meinigen heute morgen um fünf Uhr munter eine Melodie nach der andern.«
    »Er liebt das Pfeifen ausnehmend.« »Allerdings – ich aber ganz und gar nicht.«
    Mr. Evenson besaß mehrere Häuser in den Vorstädten und bezog davon ein gutes Einkommen. Er war äußerst mürrisch und mißvergnügt, ein eingefleischter Radikaler, und besuchte öffentliche Versammlungen aller Art nur, um jeden Vorschlag ohne Ausnahme zu tadeln. Mr. Wisbottle war dagegen ein überzeugter Konservativer. Er war Schreiber beim Forstdepartement und betrachtete seine Stellung als eine aristokratische, wußte das Adelsregister auswendig und konnte aus dem Kopf angeben, wo jeder vornehme Mann wohnte. Er hatte zwei Reihen

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