Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
gewesen war.
    Endlich nahm die Tragödie allen Ernstes ihren Anfang und hatte auch einen erträglichen Fortgang bis zur dritten Szene des ersten Akts, in der Othello den Senat anredet und Jago, dessen Füße für sämtliche Bühnenstiefel zu groß oder von der Hitze und Aufregung zu geschwollen waren, seine Rolle in gewöhnlichen kurzen Stiefeln spielen mußte, die ziemlich sonderbar von seinen reichbesetzten Pantalons abstachen. Als Othello seine Anrede an den Senat begonnen hatte (dessen Würde durch einen Handlanger, der den Herzog vorstellte, zwei auf Empfehlung des Gärtners engagierte gute Freunde besagten Handlangers und einen Knaben vertreten wurde), fand sich für Mrs. Joseph Porter die ersehnte Gelegenheit.
    Mr. Sempronius fuhr fort:
    »Ehrwürd’ger, mächt’ger und erlauchter Rat,
Sehr edle, wohlerprobte gute Herrn –
Daß ich dem alten Mann die Tochter nahm,
Ist völlig wahr; ich bin von rauhem Wort –«
     
    »War das recht?« flüsterte Mrs. Porter Onkel Tom zu.
    »Nein.«
    »So sagen Sie es ihm doch.«
    »Ja, ja, – Sem! das war nicht recht, alter Junge.«
    »Was war nicht recht, Onkel?« fragte Othello, die Würde seiner Rolle gänzlich vergessend.
    »Du hast etwas ausgelassen. ›Wahr, sie ist mir vermählt –‹«
    »Ah, ah!« sagte Mr. Sempronius und bemühte sich ebensosehr und so unwirksam, seine Verwirrung zu verbergen, wie die Zuschauer sich Mühe gaben, ihr Kichern durch heftiges Husten zu unterdrücken – –
    »wahr, sie ist mir vermählt; –
Der Tatbestand und Umfang meiner Schuld
Reicht dahin; weiter nicht.«
     
    »Warum soufflierst du nicht, Vater?«
    »Weil ich meine Brille verlegt habe«, erwiderte Mr. Gattleton, der von der Hitze und dem Getümmel halb tot war.
    »Weiter!« rief Onkel Tom. »Jetzt kommt: ›ich bin von rauhem Wort‹.«
    »Ja, ich weiß es«, rief der unglückliche Direktor zurück und redete weiter.
    Es würde nutzlos und ermüdend sein, noch die vielen Fälle aufzuzählen, in denen Onkel Tom, der jetzt vollkommen in seinem Element war und durch die boshafte Mrs. Porter fortwährend angestachelt wurde, die Irrtümer der Schauspieler verbesserte. Es mag hinreichen, zu sagen, daß ihn, nachdem er sein Steckenpferd einmal bestiegen hatte, nichts bewegen konnte, wieder herunterzusteigen, und daß er, gleichsam als ein zweiter Souffleur, das ganze Stück vor sich hinmurmelte. Die Zuschauer ergötzten sich ausnehmend, Mrs. Porter war entzückt, und sämtliche Schauspieler gerieten außer Fassung: Onkel Tom hatte sich in seinem Leben nicht besser unterhalten, und seine Neffen und Nichten, obwohl die erklärten Erben seiner Schätze, hatten nie so herzlich gewünscht, daß er zu seinen Vätern versammelt sein möchte, wie an jenem denkwürdigen Abend.
    Verschiedene andere, geringere Ursachen kamen noch hinzu, um den Eifer der Liebhaber zu dämpfen. Keiner von ihnen konnte in den knapp anliegenden Gewändern gehen oder die Arme in den Kostümen rühren: die Hosen waren zu kurz, die Stiefel zu weit und die Schwerter von allen Größen und Arten. Mr. Evans, der zu groß für die Bühne war, trug einen schwarzen Samthut mit ungeheuren, weißen Federn, die von den Zuschauern nicht gesehen werden konnten, und den er nur mit großer Schwierigkeit auf dem Kopfe zu befestigen, und wenn er ihn festgesetzt hatte, nicht wieder herunterzubringen vermochte. Trotz allem seinem Einüben fiel er mit dem Kopfe und den Schultern so meisterhaft durch eine Seitenwand, wie ein Harlekin in einer Weihnachtspantomime durch einen Reif gesprungen sein würde. Die Pianofortespielerin wurde am Anfang der Nachstücke infolge der Hitze im Saale ohnmächtig, und die Flöte und das Violoncell mußten Masaniello allein beim Gesang begleiten. Das Orchester beklagte sich, daß es von Mr. Harleigh darausgebracht würde, und Mr. Harleigh erklärte, daß ihn das Orchester gänzlich am Singen hindere. Die gemieteten Fischer revoltierten im eigentlichen Sinne und wollten schlechterdings nicht spielen, wenn ihnen nicht eine größere Quantität Branntwein bewilligt würde; und als ihrem Begehren Genüge geleistet war, traten sie in der Vesuvausbruchsszene so natürlich betrunken wie möglich auf. Das rote Feuer am Schlusse des zweiten Aktes hatte nicht nur die Zuschauer fast erstickt, sondern obendrein beinahe das Haus in Brand gesteckt, und die Schlußszene wurde in dichtem Rauche gespielt.
    Kurzum, das Ganze mißglückte vollkommen, wie Mrs. Joseph Porter jedermann triumphierend sagte. Die Zuschauer

Weitere Kostenlose Bücher