Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Gentleman, dem sein Geschäft so riesige Verdienste abwirft, daß er notwendig jüngst einen Partner aufnehmen mußte. Das ist der Gentleman, der eine Frau ohne einen roten Heller heiraten will und der in die Hände von Isebels gerät, die auf meinen Tod spekulieren!«
Jetzt wußte ich, wie groß die Wut meines Onkels war. Denn wenn er nicht fast rasend gewesen wäre, so hätte ihn nichts veranlassen können, dieses alles beendende Wort in den Mund zu nehmen. Sonst durfte es unter keinen Umständen vor ihm ausgesprochen oder angedeutet werden, so widerwärtig war es ihm.
»Auf meinen Tod«, wiederholte er, gleich als trotzte er mir, indem er seinem eigenen Abscheu vor dem Wort Trotz bot. »Auf meinen Tod – Tod – Tod! Aber ich werde die Spekulation zunichte machen. Iß deine letzte Mahlzeit unter diesem Dach, du Jämmerling, und mögest du daran ersticken!«
Ihr könnt euch denken, daß ich nicht viel Appetit auf das Frühstück hatte, zu dem ich in diesen Ausdrücken eingeladen wurde. Jedoch nahm ich meinen gewohnten Platz ein. Ich sah, daß mein Onkel nichts mehr von mir wissen wollte; aber im Besitz von Christianas Herzen konnte ich das mit Gleichmut ertragen.
Er leerte seine Schale Brot und Milch wie gewöhnlich, nur daß er sie auf die Knie genommen und seinen Stuhl von dem Tisch, an dem ich saß, abgerückt hatte. Als er fertig war, blies er bedachtsam die Kerze aus, und der kalte, elende, bleifarbene Tag blickte ins Zimmer herein.
»Nun, Mr. Michael«, sagte er, »bevor wir uns trennen, möchte ich in deiner Gegenwart ein Wort mit diesen Damen sprechen.«
»Wie Sie wünschen, Sir«, erwiderte ich. »Aber Sie täuschen sich und tun uns bitter unrecht, wenn Sie glauben, daß irgendein anderes Gefühl als reine, selbstlose, treue Liebe bei unserer Übereinkunft eine Rolle gespielt hat.«
Darauf erwiderte er bloß: »Du lügst!« – kein Wort weiter.
Wir gingen durch halbgetauten Schnee und halbgefrorenen Regen nach dem Hause, wo Christiana und ihre Mutter wohnten. Mein Onkel war gut mit ihnen bekannt. Sie saßen gerade beim Frühstück und waren überrascht, uns zu dieser Stunde zu sehen.
»Ihr Diener, Ma’am«, sagte mein Onkel zu der Mutter. »Sie erraten wohl den Zweck meines Besuchs, Ma’am. Wie ich höre, schließt dieses Haus eine Welt von reiner, selbstloser, treuer Liebe ein. Ich bin glücklich, das zu bringen, was zur Vervollständigung dieser Welt einzig noch nötig ist. Ich bringe Ihnen Ihren Schwiegersohn, Ma’am, und Ihnen, Miß, Ihren Gatten. Der Gentleman ist ein vollkommen fremder Herr für mich, aber ich wünsche ihm Glück zu seinem weisen Handel.«
Er zeigte mir die Zähne, als er das Zimmer verließ, und ich habe ihn nie wiedergesehen.
Es ist eine ganz falsche Annahme (fuhr der arme Verwandte fort), daß meine teure Christiana sich von ihrer Mutter überreden ließ und einen reichen Mann heiratete; daß sie jetzt oft an mir vorbeifährt und ihre Wagenräder mich mit Kot bespritzen. Nein, nein. Sie heiratete mich.
Wir heirateten sogar früher, als wir beabsichtigt hatten, und das kam so: Ich hatte mir eine bescheidene Wohnung gemietet und sparte und entwarf Pläne um ihretwillen, als sie eines Tages sehr ernst zu mir sagte:
»Mein lieber Michael, ich habe dir mein Herz geschenkt. Ich habe dir gestanden, daß ich deine Liebe erwidere, und ich habe dir mein Wort gegeben, dein Weib zu werden. Ich gehöre dir schon jetzt in guten und in bösen Tagen, als ob wir an dem Tag, als diese Worte zwischen uns gesprochen wurden, geheiratet hätten. Ich kenne dich gut und weiß, daß dein ganzes Leben verdunkelt würde, wenn wir uns trennen. Dein ganzes Wesen, das selbst jetzt für den Kampf mit dem Leben kräftiger gerüstet sein sollte, würde dann nur noch ein Schatten seiner selbst sein!«
»Gott helfe mir, Christiana!« sagte ich. »Du sprichst die Wahrheit.«
»Michael!« sagte sie, mit ihrer ganzen mädchenhaften Hingabe ihre Hand in die meine legend, »wir wollen nicht länger getrennt leben. Ich brauche nur zu sagen, daß ich mit dem, was du mir bieten kannst, zufrieden bin, und ich weiß, daß du glücklich sein wirst. So sage ich es denn von ganzem Herzen. Mühe dich nicht mehr allein; wir wollen gemeinsam die Mühe tragen. Mein lieber Michael, es wäre nicht recht von mir, dir das zu verheimlichen, was du nicht ahnst, was aber mein ganzes Leben verbittert. Meine Mutter bedenkt nicht, daß du alles, was du verloren hast, nur um meinetwillen einbüßtest, nur weil ich dir
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