Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
häuslich sein, Joe, Nur im Daheim ist das wahre Glück zu finden. Ich lebe selbst sehr häuslich,« setzte Sheridan hinzu, und zwar mit jenem Blinzeln, dessen lustigen Ausdruck niemand vergessen konnte, der es gesehen.«
»Ich denke doch, daß ich es ebenso mache, wie Sie, Sir,« antwortete Grimaldi.
»Recht so, recht so, mein Lieber! Aber was fängt Ihre arme kleine Frau an, wenn Sie auf der Bühne arbeiten? Eine hübsche junge Frau ganze Abende lang allein zu Hause lassen, taugt gar nichts, lieber Joe. Na, ich will Ihnen zu Hilfe kommen, Joe… will ihr Freibillets geben, für sich und eine Freundin – wohlgemerkt, Freundin! nicht Freund, möchte sonst leicht gefährlich werden, mein Lieber – wie? Oder meinen Sie nicht?«
Darauf entfernte er sich so schnell, daß ihm Grimaldi für seine rücksichtsvolle Güte nicht einmal Dank sagen konnte. Aber er vergaß sein freundliches Versprechen nicht, und Frau Grimaldi besuchte nun fast jeden Abend das Theater, und ging nach Schluß der Vorstellung mit ihrem Manne nach Hause.
Still, angenehm und rasch verging auch der Herbst und Winter. Im folgenden Jahre, 1799, erhöhte die Hoffnung, Vater zu werden, Joe’s Glück. Für die kleinen Sorgen des Alltagslebens hatte er nun kaum noch ein Auge.
Aber seinem jungen Glücke drohte im selben Jahre der schwerste Schlag: am 18. Oktober 1799 starb seine Frau – das Kleinod, das er von Kind auf so liebund wert gehalten hatte. – die Frau, deren Vorzüge und Tugenden bis an seinen Tod in seinem Munde waren. Lange Wochen waren zwischen Furcht und Hoffnung verstrichen, bis das schreckliche Ereignis eintrat, bis ihre sterbliche Hülle am 21. Oktober in der Familiengruft in der Saint-James-Kirche beigesetzt wurde.
Grimaldi war in der ersten Zeit wie von Sinnen. Seine Freunde ließen ihn keinen Augenblick allein, und nur ihrer ununterbrochenen Wachsamkeit gelang es, zu verhindern, daß er nicht Hand an sich legte. Trost konnten sie ihm aber wenig spenden, denn ihr Schmerz war kaum minder groß als der seine, hatten sie die Verstorbene doch sämtlich in ihr Herz geschlossen, betrauerten doch auch sie einen schweren, schweren Verlust.
Der Bruder der Verstorbenen, Richard, hat seiner Schwester die Worte: »O, Bruder, verlasse meinen armen Joe nicht, sondern bleib ihm immer in Liebe treu!« nie vergessen, sondern hat sich in allen Lebenslagen als Grimaldis bester und getreuester Freund erwiesen. Volle acht Wochen kam der arme Joe nicht zur Besinnung. Tags über zehrte er an seinem Grame, sinnierte über zu Grabe getragene Hoffnungen und über entschwundenes Glück, und abends wurde er auf die Bühne gerufen, um dem Theaterpublikum schallendes Gelächter zu entlocken. Schminke verdeckte die Gramfalten, die sein tiefes Herzeleid in seinem Geiste gezogen, und wenn er in der Weihnachts-Pantomime auftrat, begrüßte stürmischer Jubel sein Erscheinen.
Das Drury-Lane-Theater brachte die neue Pantomime, in der Joe Grimaldi sich selbst übertraf. Sie hieß: »Harlekin Amulet, oder Der Zauberer von Mona« – unter welchem Namen die jetzt Anglesea benannte Insel, der älteste Druidensitz, zu verstehen ist. Ihr Verfasser war ein gewisser Powell. Die Inszenierung hatte BalettmeisterByrne übernommen. Sie fand außerordentlichen Beifall und wurde ohne Unterbrechung bis zu Ostern 1800 aufgeführt. Sie zeichnete sich durch mancherlei hervorstechende Eigentümlichkeiten aus, namentlich durch ein neues Kostüm und eine völlig neue Auffassung des Harlekin-Charakters. Bislang hatte das Kostüm in weiten Pumphosen und Jacke bestanden. Auch war als unerläßlich angesehen worden, daß Harlekin zwischen fünf bestimmten Stellungen ständig wechselte.
Byrne, der in diesem Jahre zum ersten Male als Harlekin auftrat, stieß sozusagen dieses alte Herkommen über den Haufen und machte aus Harlekin einen völlig neuen Charakter. All seine Stellungen und Sprünge waren neu, und in seinem Kostüm hatte er wesentliche Verbesserungen vorgenommen. Es war durchweg aus weißer Seide, die bunten Flicken waren hineingewebt und es saß so prall, daß es nicht eine einzige Falte schlug, aber so reich mit Flittern besetzt, daß es einen wirklich glänzenden Anblick bot.
»Die Neuerung«, sagte Grimaldi, »war durchgreifend und wurde mit enthusiastischem Applaus begrüßt. Sie war auch nicht unverdient und meiner Meinung nach war Byrne der beste Harlekin seiner Zeit, ist auch seitdem kaum übertroffen worden, und nur wenige dürften es ihm gleich getan haben.«
Die
Weitere Kostenlose Bücher