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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Lächeln atmet – der die schwere Bürde des Lebens einzig und allein um Ihretwillen trägt.«
    »Könnte man einen solchen Mann finden?« fragte die Dame.
    »Nur könnte finden?« erwiderte der glühende Tupman. »Er ist gefunden. Er ist hier, Fräulein Wardle.«
    Und ehe die Dame seine Absicht ahnte, lag er schon zu ihren Füßen auf den Knien. ,
    »Stehen Sie auf, Herr Tupman«, sagte Rachel.
    »Nimmermehr«, war die entschlossene Antwort. »O Rachel! sagen Sie, daß Sie mich lieben.«
    »Herr Tupman,« bemerkte Jungfer Tante mit abgewandtem Gesicht – »ich kann kaum Worte finden: doch – doch – Sie sind mir nicht ganz gleichgültig.«
    Herr Tupman hörte nicht so bald dieses Geständnis, als er sich ganz dem Drange seiner Begeisterung hingab und tat, was, soviel wir wissen (denn wir haben in diesem Punkte nicht viel Erfahrung), unter solchen Umständen jedermann tut. Er sprang auf, schlang seinen Arm um den Nacken der Jungfer Tante und preßte eine Menge Küsse auf ihre Lippen, die sie nach pflichtschuldigem Zieren und Sträuben so geduldig hinnahm, daß wir nicht angeben können, wie viele ihr Herr Tupman noch aufgedrückt haben würde, wäre die Dame nicht plötzlich erschreckt worden und voller Angst in die Worte ausgebrochen –
    »Herr Tupman, wir werden beobachtet! Wir sind entdeckt!«
    Herr Tupman sah sich um und gewahrte die tellergroßen Augen des fetten Jungen. Der Junge hatte dabei nicht im mindesten einen Gesichtszug, den auch nur ein noch so erfahrener Physiognomiker dem Erstaunen, der Neugierde oder irgendeiner bekannten Leidenschaft, die sonst die Brust der Vlcnschen bewegt, hatte zuschreiben können. Er glotzte völlig regungslos in die Laube. Herr Tupman betrachtete den fetten Jungen, und der fette Junge betrachtete Herrn Tupman, und je länger Herr Tupman dessen völlig ausdrucksloses Gesicht ansah, desto mehr überzeugte er sich, daß er entweder nicht wußte oder nicht verstand, was vorgegangen war. In dieser Voraussetzung fragte er mit festem Tone:
    »Was suchst du hier?«
    »Das Essen ist auf dem Tisch«, war die rasche Antwort.
    »Bist du eben erst gekommen?« fragte Herr Tupman mit einem durchdringenden Blick.
    »Soeben«, erwiderte der fette Junge.
    Herr Tupmam sah ihn wieder scharf an, aber der Junge verzog keine Miene.
    Herr Tupman nahm den Arm der Jungfer Tante und ging dem Hause zu; der fette Junge folgte.
    »Er weiß nicht, was vorgefallen ist«, flüsterte er.
    »Nichts?« fragte Jungfer Tante.
    Sie hörten einen Ton hinter sich, wie von einem halbunterdrückten Lachen. Herr Tupman sah sich forschend um. Nein; der fette Junge konnte es nicht gewesen sein. In seinem ganzen Gesichte war keine Spur von Freude, und überhaupt kein anderer Ausdruck als der der Eßlust zu finden.

     
    »Er muß geschlafen haben«, flüsterte Herr Tupman.
    »Ich zweifle nicht im geringsten daran«, versetzte Jungfer Tante.
    Beide lachten herzlich.
    Aber Herr Tupman irrte sich. Der fette Junge hatte zum ersten Male nicht geschlafen. Er hatte gewacht – völlig gewacht und alles mit angesehen.
    Das Abendessen ging vorüber, ohne daß jemand eine allgemeine Unterhaltung anzuknüpfen gesucht hätte. Die alte Frau ging zu Bett; Isabelle Wardle widmete ihre Aufmerksamkeit ausschließlich Herrn Trundle; Jungfer Tante hatte für niemand Augen, als für Herrn Tupman, und Emiliens Gedanken schienen in der Ferne zu verweilen – vielleicht bei dem abwesenden Snodgraß.
    Elf Uhr – zwölf Uhr – ein Uhr hatte es geschlagen, und die Herren waren noch nicht zurück. Bestürzung und Unruhe war auf jedem Gesicht zu lesen. Sollten Sie vielleicht überfallen und ausgeplündert worden sein? Sollte man Leute mit Laternen aussenden und sie auf allen Wegen suchen lassen, die sie möglicherweise eingeschlagen haben konnten? Oder sollte man – – Horch! Sie sind’s. Was konnte sie solange aufhalten? Auch eine fremde Stimme! Wem konnte sie angehören? Sie eilten in die Küche, um nach den Ankömmlingen zu sehen, und überzeugten sich alsbald von dem wahren Stand der Dinge.
    Herr Pickwick lehnte, die Hände in den Taschen und den Hut über das linke Auge gedrückt am Anrichttische, wackelte mit dem Kopf und griente unaufhörlich, ohne daß man irgendeinen Grund davon entdecken konnte. Der alte Herr Wardle hielt einen fremden Herrn bei der Hand, dem er mit flammendem Gesichte etwas von ewiger Freundschaft vorlallte. Herr Winkle hielt sich an der Wanduhr und rief mit matter Stimme auf jedes Mitglied der Familie, das

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