Dem Himmel entgegen
weißen Laken, die Innenflächen nach oben gewandt. Seine schmalen Finger waren leicht gekrümmt. Ella erinnerte sich, wie ängstlich er gewesen war, und sie wollte nichts mehr, als an das Bett zu treten und seine Hand zu halten. Sein Leben zu halten.
Ein hoher, gleichmäßiger Ton zerschnitt die Stille des Raumes. Ihre eigenen Hände öffneten sich – und ein Teddy fiel zu Boden.
Das war die letzte Nacht gewesen, in der sie als Krankenschwester im Hospital gearbeitet hatte. Am nächsten Tag war sie gegangen, und die Ratschläge ihrer Freunde, der Berater und der Verwaltung waren bei ihr auf taube Ohren gestoßen. “Es ist hart, das ist wahr”, hatten sie Ella gesagt. “Aber du bist doch ein alter Hase. Du hast das schon öfter durchmachen müssen. Kinder sterben. Das ist Teil deines Jobs.”
Aber jetzt war es zu viel. Sie hatte zu oft diese Situation durchstehen müssen. Sie hatte ein Kind zu viel sterben sehen.
Es half nicht, dass sie sich selbst schalt, in eine Falle getappt zu sein, von der sie andere fernhalten konnte. Aber sie konnte verhindern, dass es noch einmal passieren würde. Sie schwor sich, dass sie es nicht zulassen würde, dass ein Kind den Weg in ihr Herz fand, wie Bobby ihn gefunden hatte. Als sie dann die Stelle als Kindermädchen angenommen hatte, nahm sie sich vor, eine gute Pflegerin zu sein, nett und liebevoll mit dem Kind umzugehen, aber persönliche, tiefere Gefühle außen vor zu lassen.
Nun, auf dieser Veranda unter dem klaren, späten Winterhimmel, konnte Ella nur die Arme ein wenig fester um sich schlingen und über ihre eigene Naivität lachen. War sie wirklich davon überzeugt gewesen, dass so ein Schwur möglich sein könnte? Egal, wie weit sie auch von Vermont entfernt war, ihren Erinnerungen, die sie mit sich herumtrug, konnte sie nicht entfliehen. Sie musste ihren Mut zusammennehmen und nach vorne blicken. Nach South Carolina war sie gekommen, um Wärme zu spüren. Es war an der Zeit, auch das Eis um ihr Herz zum Schmelzen zu bringen und die Wärme hineinzulassen.
Am anderen Ende des Hofes fiel schwaches Licht durch die Vorhänge an den Fenstern der Holzhütte. Ella lächelte, als sie sich Lijah im Bett liegend vorstellte, eingehüllt in all die Decken, vielleicht eine Pfeife rauchend. Sie glaubte sogar, den zarten Duft von Kirschtabak in der Nachtluft wahrzunehmen. Lijah hatte ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit erzählt, wie dankbar er war, dass sie die Hütte hergerichtet hatte und dass er nun “seine Füße an sein eigenes Feuer legen konnte”.
Ihr Herz jagte – zu viele Erinnerungen riefen zu viele Gefühle wach. Oft half ihr frische Luft, und sie atmete langsam und bedächtig tief ein und aus. Sie hob die Hände zum Kopf und löste die Spange in ihrem Haar. Sofort fühlte sich ihr Kopf ein wenig besser an, und sie fuhr sich durchs Haar, um die Spannung wegzumassieren. Bald hörte sie Schritte, die sich dem Haus näherten. Ihr Magen verkrampfte sich, und sie begann hastig, ihr Haar zusammenzubinden.
Das Verandalicht erhellte Harris’ Gesicht, als er vom Fuße der Treppe heraufsah. “Sind Sie fertig für heute?”
“Für heute, ja”, erwiderte er und kam mit schweren Schritten zu ihr die Stufen herauf. “Aber morgen in aller Frühe geht es wieder weiter.”
“Wenn Sie kranke Patienten haben, gibt es immer etwas, das getan werden muss.”
Er stand nun auf der Veranda und betrachtete sie. Sein Gesicht war blass vor Müdigkeit, und er ließ erschöpft die Schultern hängen. Sie musste an sich halten, um nicht ihre Hand auszustrecken und ihm eine Locke aus der Stirn zu streichen, die widerspenstig herunterhing.
“Sherry hat angerufen. Ihre Mutter wird noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben müssen und kommt dann in eine Reha-Klinik. Sie muss sofort abreisen.”
“In dieser kurzen Zeit können Sie keinen Ersatz finden.”
“Nein, aber ich habe mich sowieso dagegen entschieden.”
“Wie lange wird Sherry denn ausfallen?”
“Das weiß man nicht. Der Schlaganfall war relativ schwer. Im Moment ist noch alles ungewiss. Sherry muss erst noch mit den Ärzten reden.”
Ella seufzte und lehnte sich gegen den Stützpfeiler der Veranda. Das Schweigen zwischen ihnen zog sich hin.
“Ist Marion ohne Probleme ins Bett gegangen?” fragte er.
“Ja, zwar war sie ganz aufgeregt vom heutigen Tag, aber ich habe es schließlich geschafft, sie ins Bett zu bringen.” Sie blickte zu ihm hinüber. “Wir haben heute über ihre Mutter gesprochen.”
Er zog
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