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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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dass er ihren Vorschlag gerade in seinem Kopf abwägte. Das fand sie nur fair. Sie hatte das Problem immer und immer wieder durchdacht, während sie auf der Veranda auf ihn gewartet hatte, und war immer zum selben Schluss gekommen.
    “Ich bin mir nicht sicher, ob es funktionieren wird”, sagte er langsam.
    “Es wird funktionieren.”
    “Aber es ist mehr Arbeit, als ein einzelner Mensch allein bewältigen kann.”
    “Das werden wir schon regeln.”
    “Wie denn? Ella, seien Sie realistisch. Wo sollen wir die Zeit hernehmen?”
    “Wir werden es einfach tun, Harris.”
    Er schürzte nachdenklich seine Lippen, aber sie konnte die Furcht in seinen Augen erkennen.
    “Wovor haben Sie wirklich Angst? Glauben Sie, dass ich mit den Vögeln nicht zurechtkomme?”
    “Nein, da habe ich überhaupt keine Bedenken. Ich bin mir sicher, dass Sie das können. Offen gesagt mache ich mir um mich selbst Sorgen.” Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. “Ich bin mir nicht sicher, ob
ich
mich um meine Tochter kümmern kann.”
    Plötzlich verstand sie den Grund für seine Zurückhaltung und dachte darüber nach, wie sie ihn ermutigen konnte. “Was geschieht mit den männlichen Adlern, die ihre Partnerin verlieren, während sie die Jungen großziehen? Sie haben mir erzählt, wenn ihn jemand mit Futter versorgt, könne er die Jungen auch allein aufziehen. Erinnern Sie sich? Alles, was Sie tun müssen, ist, auf Ihren Instinkt zu vertrauen und daran zu denken, dass Sie nicht allein sind. Sie sind von Menschen umgeben, die Ihnen helfen, diesen besonderen kleinen Adler aufzuziehen.” Sie lächelte ihn aufmunternd an. Dann drohte sie ihm mit dem Finger. “Aber es
gibt
eine Sache, über die Sie sich Sorgen machen sollten”, fügte sie grinsend hinzu. “
Ich
bin diejenige, die sich um Ihr Futter kümmert …”
    Harris lag auf seinem Bett und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Zum zehnten Mal ließ er die Unterhaltung mit Ella Revue passieren.
    Sie sind nicht allein
.
    Er musste immer wieder über diese Worte nachdenken. Er war sein ganzes Leben lang allein gewesen. Vielleicht nicht körperlich, denn ständig hatte er mit jemandem zusammengelebt: mit seiner Mutter, Fannie, Marion. Aber sie alle waren Frauen, die seine Hilfe brauchten. Ob es sein Schicksal war oder ob er es selbst heraufbeschwor – er wusste es nicht. Tatsache war, dass es nie jemanden gegeben hatte, mit dem er seine Gedanken hatte teilen können, seine Hoffnungen und Erwartungen oder seine Träume. In dieser Beziehung war er immer allein gewesen. Er hatte niemanden gehabt, der ihm geholfen hätte, mit seiner Verantwortung umzugehen. Seit er neun Jahre alt war und sein Vater ihn und seine Mutter verlassen hatte, war er derjenige gewesen, der sich um alles kümmerte. Er hatte gelernt, unabhängig und selbständig zu sein. Nie hatte er sich auf jemand anderen verlassen als sich selbst. Und über die Jahre wollte er – oder
konnte
er – sich anderen Menschen gegenüber nicht mehr öffnen. Er glaubte, er brauche niemanden.
    Das war dumm und naiv.
    Wenn er die Augen schloss, konnte er noch immer Fannie vor sich sehen, sieben Jahre zuvor, als er sie geheiratet und in ihr gemeinsames Heim gebracht hatte. Der Anblick ihres wundervollen Körpers – so schlank und geschmeidig – auf seinem Laken ließ ihn noch immer erzittern und erweckte in ihm eine Sehnsucht, die für zu viele Jahre seine Begleiterin gewesen war. Er war ein Mann im besten Alter, mit all dem unstillbaren Hunger, den ein Mensch empfinden konnte. Ja, er brauchte jemanden, er musste sich neu verlieben.
    Er seufzte, drehte sich auf die Seite und stopfte sein Kissen unter seinen Kopf. Als er dieses Mal die Augen schloss, sah er Ella vor sich, wie sie auf der Veranda stand. Kurz zuvor hatte er sie so gesehen, als er von der Klinik nach Hause ging. Im Schatten verborgen war er stehen geblieben und hatte sie beobachtet. Sie hatte die Hände gehoben, um ihre Haarspange zu lösen und ihr Haar war wie ein Wasserfall über ihren Rücken gefallen. Er hatte noch nie so schöne Haare gesehen. Die dicken braunen Strähnen hatten das Mondlicht eingefangen und wie das Meer im nächtlichen Schein geglitzert, und für einen Augenblick war er fasziniert gewesen vom Anblick ihres schlanken, schönen Körpers, der an dem Holzpfeiler gelehnt stand, während ihr volles Haar sich leicht in der sanften Brise bewegt hatte. Er hatte sich ein wenig wie ein Voyeur gefühlt, aber er hatte seinen Blick einfach nicht abwenden

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