Dem Killer auf der Fährte
gegen seines gestanden. Das ist eine Ebene, auf der Therapeuten sehr verwundbar sind.«
»Und Donna Zalewski?«
»Wenn für jemanden alles unklar ist, werden auch die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Phantasie sehr diffus.«
»Sie war also äußerst manipulierbar?«
»Ja, aber auf eine gewisse Weise war Elaine das auch. Sie war anfällig dafür, es zu glauben.«
Eine Weile später, als Rita aufstand, um zu gehen, kroch Kimi unter dem Tisch hervor, schüttelte sich kräftig und steckte ihre große, schwarze und feuchte Schnauze direkt in den Schritt von Ritas dunkelblauen Jerseyhosen.
»Nein«, sagte ich bestimmt und zog sie weg. Das Ärgste an dieser Angewohnheit ist wohl, daß eine öffentliche Zurechtweisung die beschnüffelte Person meistens noch mehr in Verlegenheit bringt, als es der Hund bereits getan hat. In jedem Fall ist wohl die beste Methode, unerwünschtes Verhalten zu unterbinden, nicht negativ, sondern positiv: Man sollte dem Hund beibringen, was er tun soll. Platz. Sitz. Gib die Pfote. Was auch immer. Wenn Kimi einmal das Bei-Fuß-Gehen, Sitzen und Bleiben gemeistert hätte, würde sie damit aufhören, sich selbst, mich und andere in peinliche Situationen zu bringen. Ich würde sie schon noch so weit bringen. In der Zwischenzeit entschuldigte ich mich bei Rita.
Aber Rita hat ja selbst einen Hund. Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich habe gerade meine Periode. Hunde können das immer riechen.«
»Ja, schon«, meinte ich, »aber sie müssen es ja nicht unbedingt allen anderen auf die Nase binden.«
»Grenzen«, sagte Rita nur.
In meiner Nachbarschaft gibt es zwei altehrwürdige höhere Bildungsanstalten. Die eine ist der Cambridge Dog Training Club und die andere die Harvard University, berühmt wegen der nie verfehlten Wirkung, die bei der beiläufigen Erwähnung ihres Namens entsteht.
In Cambridge selbst wird diese Wirkung jedoch wegen der hohen Anzahl von ehemaligen Studentinnen und Studenten um einiges gedämpft. Meistens ist nämlich sofort ein Harvard-Absolvent zur Stelle, um dem sterblichen Rest der übrigen Konversationsteilnehmer die Bedeutung von allem und jedem zu erklären. Eine der Lektionen, die Harvard den Studenten beibringt, besteht darin, jede Annahme seit Jesus Christus in Frage zu stellen, und die Universitätsabgänger haben sich diese Lektion gut gemerkt. Zum Beispiel nehmen die Harvard-Absolventen durchaus nicht an, daß jeder weiß, wo sie studiert haben und trotz ihrer zahlenmäßigen Präsenz gehen sie auch nicht davon aus, daß jeder in Cambridge Harvard besucht hat. Ebensowenig übrigens, wie der Besitzer eines reinrassigen Hundes von hoher Abstammung und einem renommierten Züchter davon ausgehen würde, daß ein anderer Hund von gleichem Rang ist. Gibt man zu, daß man eine Universität besucht hat, deren Name nicht ganz so laut klingt, wenn man ihn fallen läßt, senken die typischen Harvard-Absolventen in einer Geste des schweigenden Mitleids langsam den Blick und gehen prompt nicht mehr länger davon aus, daß man weiß, was sie wissen, oder gelesen hat, was sie gelesen haben. Tatsächlich beginnen einige von ihnen zu vermuten, daß man gar nichts weiß und weder lesen noch schreiben kann.
Aber ich habe mich daran gewöhnt. Hundeliebhaber fragen auch immer, von welchem Züchter mein Hund kommt, und manchmal ist ihr Interesse sogar mehr als bloße Neugierde. Was die Zuchthunde-Snobs in Wirklichkeit mit den Elite-Uni-Snobs gemeinsam haben, ist, daß sie ihrem eigenen Urteil mißtrauen. Einige von den Hunde-Interessierten wollen nur wissen, wo das Tier herkommt, weil sie sich nicht Zutrauen, auf den ersten Blick zu wissen, ob sie einen reinrassigen Hund vor sich haben, während die Harvard-Snobs unsicher sind, ob sie eine intelligente Person auch ohne das Etikett ihrer Elite-Universität erkennen würden. Aber ich schweife wohl wieder einmal ab.
Ich fragte mich immer noch, welche Art Mensch Donna Zalewski gewesen war, aber meine erste Vermutung, daß sie Harvard besucht hatte, erwies sich als richtig. Nachdem ich viel Zeit mit dem Verzeichnis der ehemaligen Harvard-Studenten verbracht hatte, rief ich im Adams House an, um mir Namen und Telefonnummer ihrer einstigen Zimmergenossin geben zu lassen. Sie lebte jetzt in einem Wohnheim für Graduierte in der Wendell Street, zehn Gehminuten vom Harvard-Campus entfernt. Cambridge ist wie eine große Wurf- -kiste, gefüllt mit Welpen, die inzwischen ausgewachsen, aber immer noch nicht entwöhnt sind.
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