Dem Killer auf der Fährte
Eine vernünftige Hündin würde bei solchen Welpen ein bißchen kneifen und knurren, bis sie gelernt hätten, für sich selbst zu sorgen.
Ich erzählte Donnas ehemaliger Zimmergenossin Sarah Goldberg, ich besäße jetzt Donnas Malamute, und da ich ein paar Probleme mit dem Hund hätte, wäre ich auf die Idee gekommen, es könnte vielleicht hilfreich sein, wenn ich etwas mehr über Donna und Kimi wüßte. Mir kam diese Geschichte selbst weit hergeholt vor, aber sobald ich den Hund erwähnt hatte, schien Sarah merkwürdigerweise viel daran zu liegen, mit mir zu reden. Wir verabredeten uns, und sie lud mich ein in die Wendell Street zu kommen.
Ich habe Wurfkisten gesehen, die weniger vollgestopft und besser eingerichtet waren als das Appartment, das Sarah Goldberg zusammen mit vier oder fünf anderen Studentinnen bewohnte. Die vielen Möbel kamen offensichtlich von der Heilsarmee und irgendwelchen Trödlern. Es gab buntgewürfelte Polstersessel in blau-grün gemusterten und fleckigen Bezügen aus einem kratzigen Stoff, Bücherregale mit durchhängenden Brettern, von denen die Farbe abblätterte, wacklige Holzstühle, alte Tische und darunter zusammengestückelte Teppichüberreste. Aber irgendwie wirkte das Ganze nicht trostlos, sondern eher wie eine fröhliche, unterfinanzierte Kinderkrippe für Halbwüchsige. Graduierte Studenten sind so etwas wie erwachsene Kinder. Erwachsene Kinder von Akademikern.
Sarah war eine große, dünne Frau von Mitte Zwanzig, die ihr langes, blondes Haar zu einem Mozartzopf zusammengebunden trug. Sie hatte ein ausdrucksloses, grobknochiges Gesicht und trug Kleider, die sie dort aufgelesen haben mußte, wo sie die Möbel gekauft hatte. Als wir eintraten, stürzte sie sich in aufrichtiger Begeisterung auf Kimi, und ich mochte sie sofort. Auch Kimi mochte sie, aber Malamutes mögen eigentlich jeden, besonders wenn er mit ihnen spielt und sich mit ihnen beschäftigt.
Schließlich wandte sich Sarah zu mir: »Oh Gott, sie ist wunderbar. Ich hätte so gerne einen Hund, aber es wäre nicht richtig, hier einen zu halten. Wir sind die ganze Zeit unterwegs, und wir sind alle pleite. Das ist auch ein Grund, warum ich es kaum erwarten kann, endlich meinen Abschluß zu machen.«
»Und was für eine Rasse hätten Sie gerne?« fragte ich sie, während wir uns am Küchentisch niederließen. Vielleicht stammten die Sitzbänke, auf denen wir saßen, aus einem ehemaligen Kirchengestühl, oder das Ensemble war aus der Konkursmasse eines Restaurants gerettet worden.
»Einen von diesen, einen Malamute.« Außerdem sah sie intelligent aus. »Ich habe Malamutes immer besonders gern gemocht. Als ich klein war, hatten Nachbarn bei uns in der Straße so einen, der praktisch halb mir gehörte. Sein Name war Nicky. Ich bin immer mit ihm rausgegangen und habe mit ihm gespielt. Er war mein bester Freund. Wir sind zusammen aufgewachsen.«
»Das ist ja merkwürdig«, rief ich aus. »Daß Sie beide, Sie und Donna...«
»Hat Donna Ihnen davon erzählt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe Donna nie persönlich kennengelernt.«
»Woher wissen Sie dann...?«
»Die Züchterin, von der sie Kimi bekam. Donna hat ihr erzählt, daß sie mit einem Malamute aufgewachsen ist. Darum wollte sie einen haben.«
Sarah kräuselte die Lippen und neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite, als ob ihr diese Geschichte bekannt vorkäme. »Sie haben Donna also nicht gekannt?« fragte sie.
»Nein.«
»Sie hat so etwas öfters gemacht.«
Ich sah sie fragend an.
»Sie hatte so eine Angewohnheit, die Erfahrungen anderer für die eigenen auszugeben. Manchmal war es ganz harmlos, aber dann wieder bekam man das Gefühl, sie würde einem das eigene Leben stehlen.«
»Sie ist also nicht...?«
Sarah sprach mit sanfter Stimme. »Nein, sie ist nicht mit einem Malamute aus der Nachbarschaft aufgewachsen. Das war ich.« Sie zuckte mit den Schultern. Dann lächelte sie plötzlich. »Sie fragen sich jetzt sicher, wer von uns beiden sich den Nachbarhund der anderen ausgeborgt hat.«
Ich lachte nervös. »Ich bin bloß ein bißchen durcheinander.« Ich versuchte, Kimi auf mich aufmerksam zu machen und sie zu veranlassen, zu mir zu kommen, aber sie starrte immer nur Sarah an.
»Ich nehme an, man kann es am besten damit erklären, daß Donna ein Mensch war, der sich leer fühlte«, sagte Sarah. »Und wenn sie sich besonders leer fühlte, nahm sie etwas Fremdes, um diese Leere in sich zu füllen. Sie benutzte gelegentlich die Erfahrungen von
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