Dem Leben Richtung geben
bleiben). Orientieren Sie sich nicht an Ihrem Alter, sondern an Ihren Motivationsfaktoren! Und gehen Sie |98| davon aus, dass Sie auch jenseits der 65 geistig wachsen und zu neuen Ufern aufbrechen werden.
Der Geschäftsführer eines sehr erfolgreichen mittelständischen Betriebes bat dringend um eine Beratung. Er hatte gute Umsätze, eine liebe Frau und gesunde Kinder. Zu Beginn des Gesprächs schilderte er jedoch seinen desolaten Zustand: Wenn seine Familie und sein Glaube nicht wären, so bekannte er, stünde er in der Gefahr, Selbstmord zu begehen. Auf die vorsichtige Frage, was er denn gerne mache, fiel ihm nichts ein. Wann ihm denn zum letzten Mal etwas Spaß gemacht habe? Wieder eine lange Stille – es gebe eigentlich nichts, und es komme ihm dazu überhaupt nichts in den Sinn. Nach wiederholten vorsichtig bohrenden Fragen hatte er plötzlich eine Idee: Er beschrieb, wie er für seine Tochter eine Puppenstube mit allen Details konstruiert hatte, detailgetreue Möbel, elektrisches Licht, sogar eine funktionierende Dusche für die Puppen ... Der Mann lebte auf, und seine Augen begannen zu leuchten – die gleiche Person, die noch vor ein paar Minuten so depressiv wirkte!
Die Hintergründe wurden allmählich deutlich: Der Mann war ein genial begabter Schreinermeister gewesen. Die Kunden waren begeistert von seinen kreativen, pfiffig konstruierten und qualitativ hochwertigen »Öko-Möbelstücken«, sein Ruhm verbreitete sich im ganzen Lande. Er musste immer mehr Mitarbeiter einstellen. Große Möbelhäuser wollten seine ausgefallene Kollektion. Schon bald hatte er über 40 Mitarbeiter, viel Arbeit, tolle Gewinnmargen, und ein Ende des Wachstums war nicht in Sicht. Entweder war er unterwegs, um neue Rahmenverträge auszuhandeln, oder mit der Verwaltung seines permanent wachsenden Betriebes beschäftigt.
In der weiteren Reflektion merkten wir, dass seine jetzige Tätigkeit als Geschäftsführer wenig mit seinen Motivationsfaktoren zu tun hatte. Er arbeitete sehr viel und hart, und sein Kopf fand alles, was er tat, logisch und gut. Aber sein Innerstes vermisste die Arbeit in der Produktion, den Umgang mit Holz, das Entwerfen von und praktische Arbeiten an neuen Modellen. Die Firma aufgeben wollte |99| er nicht. Seine Position und die Kundenbeziehungen waren auch nicht ohne weiteres übertragbar.
Also vereinbarten wir einen Kompromiss. Jeden Dienstag würde er in der Frühe seinen Blaumann anziehen, in die Produktion gehen und sich vom zuständigen Meister einen Auftrag abholen. Wir zogen gleich den zuständigen Meister zurate, der von dieser Idee begeistert war. Seither arbeitet der Mann jeden Dienstag mit Holz, und er sagt, dies seien seine erfüllendsten Arbeitstage. Auch seine Führungsaufgaben erledigt er gut, aber das sind nicht seine Motivationsfaktoren. Übrigens: Er bewältigt das gleiche Arbeitspensum wie vorher, allerdings mit viel mehr Lebensfreude.
In vielen Unternehmen werden gute Mitarbeiter befördert. Das Peter-Prinzip, benannt nach dem gleichnamigen Ökonomen, besagt: Jeder wird befördert, bis er eine Stufe oberhalb seiner Qualifikation erreicht hat. Etwas schärfer formuliert: Man steigt so lange auf, bis man inkompetent für die Stelle ist, die man besetzt. Dort bewährt man sich nicht und bleibt stecken. Ähnliches passiert regelmäßig im Hinblick auf die Motivationsfaktoren. Ein Job passt hervorragend zu der Begabung eines Mitarbeiters, die nächsthöhere Tätigkeit verlangt aber total andere Begabungen. Wird er befördert, hat er vielleicht mehr Ansehen und ein höheres Gehalt, aber dieses allein macht auf Dauer nicht glücklich.
Wir haben in etlichen Unternehmen schon eine dramatische Verbesserung der Motivation nur durch die Einbeziehung dieser Dynamik erlebt. In einer Firma musste ein leidenschaftlicher Verkäufer nach Kundengesprächen immer stundenlang Papierkram erledigen. Im Verkauf war er unübertroffen, aber seine Verwaltungsqualität ließ stark zu wünschen übrig. Seine Kollegin hasste Kundenkontakt, lieferte aber exzellente Verträge und Pläne. Der Chef dieser Firma überlegte gerade, sich von beiden zu trennen, aber er fand keine Alternativen. Auf unseren Vorschlag hin bildeten die beiden ein Team: Der Verkäufer verkaufte, die Schnittstelle wurde organisiert und die Mitarbeiterin erledigte mit großem Spaß und in |100| Spitzenqualität alles Schriftliche. Die Provisionen wurden auf beide verteilt. Der Umsatz wuchs, und die Mitarbeiter waren glücklich.
Die
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