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Dem Leben Sinn geben

Dem Leben Sinn geben

Titel: Dem Leben Sinn geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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versuchen . Eigentlich hätte er ausreichend mit den Schwierigkeiten zu tun, die ihm die Bedingungen seines Lebens bereiten. Aber immer wieder stellt er haarsträubende Dinge an und überschreitet sämtliche Normen, Formen und Grenzen, vermutlich, um auch auf diese Weise Möglichkeiten des Lebens aufzutun und Unmöglichkeiten kennenzulernen. Für den Blick von außen auf den Menschen tritt diese Eigenart des Einzelnen und der Gattung deutlich hervor: Der Mensch akzeptiert nur Grenzen, die er selbst als solche erfährt, mag er dabei auch bittere Erfahrungen machen. Seinen Eigensinn , die ihm auferlegten und von ihm selbst gesetzten Grenzen stets von Neuem in Frage zu stellen, nennt er Freiheit . Die Epoche ihrer umfangreichsten Verwirklichung nennt er Moderne .
    Eigenartigerweise geht der Gewinn von Freiheit jedochmit einem Verlust von Sinn einher. Dabei scheint der Mensch das Wesen zu sein, das Sinn braucht, um leben zu können . Sinnlos frei, beginnen Menschen erneut nach Sinn zu suchen, und der kosmische Beobachter kann bei genauerem Hinsehen aus ihrer Bewegung auf der Erdoberfläche schließen, wo sie fündig werden: Es scheint das Zueinanderhin zu sein, das Menschen mit Sinn erfüllt, das Voneinanderweg ruft Klagen über Sinnlosigkeit hervor. Wenn das als Indiz gelten kann, dann ergibt sich Sinn daraus, in Beziehung zu sein , sich zu kontaktieren, Handlungen miteinander und aneinander zu vollziehen. Dem Leben Sinn zu geben, erfordert dann, gegen die moderne Zerstörung von Beziehungen anzuleben, Beziehungen jeder Art zu gründen, zu pflegen und zu bewahren: Ein sinnerfülltes Leben ist ein Leben in Beziehung. Vom eisigen Kosmos aus gesehen ist klar, warum: Menschen suchen nach Wärme, und im Austausch und in der Reibung mit Anderen, körperlich, seelisch und geistig, ist sie am ehesten zu finden. Jede Erfahrung von Sinn eröffnet einen Zugang zu Energien, mit denen Menschen erstaunlich viel fühlen und denken, tun und ertragen können.
    Ein immenses Potenzial an Sinn und somit Energie bietet das, was Menschen Liebe nennen. Für viele ist sie von solcher Bedeutung, dass sie sich, um nur ja nichts auszulassen, in ein Liebesleben verstricken, das komplizierter und widersprüchlicher kaum sein könnte. Sie suchen nach Liebe und nehmen jede Gelegenheit dazu wahr, fliehen sie wieder und zerstören sie, um sie im Verlust neu schätzen zu lernen und erneut nach ihr zu suchen. Die größte Sinnlosigkeit wird erfahrbar, wenn die Liebe geht und wenn sie fehlt. Auch aus diesem Grund sollte es die Liebe besser im Plural geben, statt alles vom Gelingen einer einzigen Liebe zwischen zweien abhängig zu machen: Viele Lieben sind nötig, um dem Leben Sinn zu geben.Über die Liebe im engeren Sinne hinaus kommen damit viele weitere Beziehungen der Zuwendung und Zuneigung in den Blick: Zwischen Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln, Geschwistern, Freunden, Kollegen, »Nächsten« aller Art und sogar Feinden. Und nicht nur Menschen können geliebt werden, sondern auch Tiere und Pflanzen, Dinge der Natur und Kultur, das Leben und die Welt insgesamt und darüber hinaus das, was viele Menschen Gott nennen.
    Die Liebe scheint ein durchgängiges Phänomen zu sein: In jeder Einzelliebe wird das gesamte Kontinuum erfahrbar, jeder Teil steht für das Ganze, pars pro toto . Bei allen Arten von Liebe zeigen sich ähnliche Elemente in variablen Arrangements: Meist treibt eine Sehnsucht Menschen um, häufig verbergen sich ganz unterschiedliche Auffassungen unter dem einen Wort »Liebe«, immer prägt Polarität auch wider Willen das gemeinsame Leben zwischen Freude und Ärger, Vertrauen und Misstrauen, Gewissheit und Eifersucht, Treue und Verrat. Hartnäckig halten sich Unterschiede in den Wahrnehmungen von Männern und Frauen, die sich dazu jedoch ungern bekennen wollen. Oft sind mehrere Ebenen der Sinngebung möglich, sinnlich, seelisch, geistig, transzendent, aber selten bewegen die Liebenden sich auf derselben Ebene. Durchweg sind sie mit dem Alltag, mit Fragen von Macht, Recht und Gerechtigkeit konfrontiert, und immer wieder flammt die Angst vor dem Ende der Liebe auf. Jede Liebe, nicht nur die zwischen zweien, eröffnet neue Möglichkeiten, mündet jedoch zum Verdruss aller in eine Wirklichkeit, die den Möglichkeiten nur teilweise entspricht. Sollte aber eine Verwirklichung gescheut werden, kommt auch keine Möglichkeit zum Zug.
    Wenn trotz allem der Liebe sehr viel Sinn zu verdanken ist, dann heißt dem Leben Sinn geben von Grund

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