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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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Einfluss auf Fidelis.
    Enda blühte nach Lastenias Tod förmlich auf, sie wurde redselig und gesellig, fast schon kokett. Melody hegte den Verdacht, dass sie ihren Vater vor den Traualtar bringen wollte, doch im Verlauf der Jahre wurde deutlich, dass Fidelis dieses Ansinnen nicht teilte. Er hatte sie und ihren Sohn aus Dankbarkeit in die Familie aufgenommen, er schützte und ernährte sie, aber eine Ehe kam für ihn nicht infrage.
    Die Arbeit auf der Estanzia fiel Fidelis zunehmend schwerer, und so delegierte er vieles an Paddy. Melody bereitete es große Sorge, dass ihr Vater, der immer gesund und stark gewesen war wie ein Stier, tagelang schwach und lustlos zu Hause saß. Wegen der Gelenkschmerzen fiel ihm das Reiten schwer, und er ermüdete schnell. Sein Gesicht war aschfahl, und er aß kaum noch, und das, obwohl er bis vor kurzem noch einen gesunden Appetit an den Tag gelegt hatte. Der Arzt verschrieb ihm ein Tonikum und eine spezielle Diät, doch sein Zustand verschlechterte sich immer mehr.
    Eines Morgens, als er nicht einmal mehr das Bett verlassen konnte, bestellte er den Notar des Dorfes ein, und bat ihn, seinen letzten Willen niederzuschreiben. Der Besitz sollte zu gleichen Teilen an seine drei Kinder sowie seinen Neffen Paddy Maguire gehen, den er außerdem zum Testamentsvollstrecker und Vormund der Kinder ernannte. Wenige Tage später starb er.
    Melody konnte es nicht fassen. Ihr Vater konnte unmöglich tot sein. In den ersten Tagen nach der Beerdigung lief sie durchs Haus und suchte ihn. Sie glaubte, überall seine Stimme zu hören. Doch ihr blieb nicht viel Zeit, ihn zu beweinen. Das Schicksal katapultierte sie in die Wirklichkeit zurück, als eines Tages Paddys guter Freund, der Kommissar, vor der Tür stand und behauptete, es liege eine Anzeige gegen Tommy und Pablo wegen Viehdiebstahls vor. Bis zum Verfahren sollten sie im Gefängnis bleiben, danach würde ihnen im besten Fall Zwangsarbeit an der Grenze drohen.
    Melody warnte ihren Bruder und dessen Freund. Bei einer eilig einberufenen Versammlung mit Domingo und anderen Feldarbeitern äußerten diese den Verdacht, »Don Patricio«, wie sie Paddy nannten, stecke hinter den falschen Beschuldigungen. Das Beste sei für sie zu fliehen.
    »Der Kommissar und Don Patricio haben es sich mit vielen hier verscherzt«, sagte Domingo. »Mehr als einer hat sie auf dem Kieker. Nicht mehr lange, und ein Messerstich wird sie in die Hölle befördern.«
    Für Melody wurde das Leben zur Qual. Sie vermisste ihren Bruder, und zudem wurde sie von Paddy bedrängt, der sie heiraten wollte. Schon seit einiger Zeit hatte Paddy ein Auge auf sie geworfen. Er beobachtete sie ständig – wenn sie badete, wenn sie im Salon las, wenn sie mit Jimmy spielte oder spazieren ging. Er war geradezu besessen von ihr.
    »Heirate sie«, hatte ihm Enda geraten, »dann wird all das hier dir gehören. Jimmy wird nicht mehr lange leben, und Tommy niemals wiederkommen. Dafür werde ich schon sorgen.«
    Doch Melody wies ihn ab. Paddy, der nicht gerade ein geduldiger Mensch war, machte ihr den Hof wie der galanteste Kavalier, doch vergeblich. Melody blieb standhaft. Daher begann Paddy, sie zu demütigen, zu befingern und zu beschimpfen. Enda nahm immer wieder ihre Nichte beiseite und warnte sie: »Paddy ist hart und stur wie ein Maulesel. Es ist besser, du fügst dich seinem Willen und heiratest ihn.«
    »Niemals! Auch ich kann hart und stur sein wie ein Maulesel.«
    Doch ihre Kräfte ließen nach. Der erbärmliche Zustand, in den Paddy sie gebracht hatte, und die ständige Furcht, er könne Jimmy etwas antun, zehrten an ihr. Sie schlief schlecht, immer mit einem Messer unter dem Kopfkissen. Sie hatte an Gewicht verloren und ihre Fröhlichkeit eingebüßt. Ihr Haar war glanzlos geworden und das Gesicht abgezehrt. Ihre Hände zitterten und manchmal auch ihre Stimme.
    Eines Tages, als sie gerade den Boden im Patio schrubbte, kam eine Dienerin auf sie zu.
    »Was ist denn, Brunilda?«
    »Es geht um Don Patricio. Er kommt gerade aus der Stadt und hat eine Gruppe Sklaven mitgebracht. Kohlrabenschwarz.«
    Melody schossen mehrere Gedanken gleichzeitig durch den Kopf: dass ihr Vater niemals Sklaven auf der Estanzia geduldet hätte, unter welch grausamem Joch sie lebte, was Jimmy und ihr noch alles widerfahren würde. Der Hass auf Paddy wurde mit jedem Tag größer.
    Sie eilte zur Scheune, wo man die Unglücklichen hingeschafft hatte. Dort standen sie dürr und halbnackt in Reih und Glied, vor Hunger und

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