Dem Winde versprochen
ausziehen, niemals!« Melody
drückte das Gesicht in eines der Kissen. »Madame, ich habe ihn nackt gesehen. Sein Körper ist vollkommen. Aber meiner … Und erst die Narben, Madame, was wird er sagen, wenn er sie sieht? Er wird mich verstoßen. Ich werde mich ihm nie hingeben!«
»Sachte, sachte. Er gefällt dir, oder?« Melody nickte. »Und es gefällt dir, wenn er dich küsst, wie du eben gesagt hast? – Gut. Steh auf und reich mir den Morgenrock.«
Madame führte Melody zu dem dreiteiligen Ankleidespiegel.
»Zieh diese Sachen aus! Wie soll dein Körper zur Geltung kommen, wenn du wie ein Mann herumläufst? Mach schon, zier dich nicht!«
»Ich habe mich noch nie vor jemandem ausgezogen, Madame.«
»Also, Kleines, dir liegt ein Mann zu Füßen, für den wir alle Truhen voller Gold geben würden. Die Leidenschaft des Herrschers ist unersättlich. Es wird Zeit, dass du deine Scham ablegst.«
Melody zog ihre Kleider aus und bedeckte sich, so gut es ging. Sanft schob Madame die Arme weg.
»Hier im Haus wärest du die Königin. Die Freier würden sich um dich prügeln. Du verstehst es nur nicht, deine Schönheit hervorzuheben und deine Reize auszuspielen. Du solltest stolz auf dich sein.«
»Meine Brüste sind viel zu groß.«
»Mon Dieu!«, entfuhr es Madame, »du schämst dich, große Brüste zu haben? Die Männer sind verrückt danach! Die Rundung deines Bauches ist perfekt, und erst deine Beine! Die zarten Fesseln, die schönen Knie ... Hast du bei all dem Einsatz für die Sklaven einmal in den Spiegel geschaut?«
Melody drehte sich um und legte das Haar über die linke Schulter, sodass die Narben im Spiegel zu sehen waren. Schweigend sahen die beiden Frauen sie an.
»Das wird am Begehren des Herrschers nichts ändern.«
»Das ist das Symbol der Sklaverei.«
»Du bist keine Sklavin.«
»Doch, ich bin die Sklavin dieser Brandmarken und all der damit verbundenen Erinnerungen.«
»Wenn der Herrscher der Mann ist, von dem ich geträumt habe, wird er dich all das vergessen lassen.«
Madame Odile läutete nach ihrer Zofe. Sie befahl ihr, für Melody ein Bad einzulassen und unter den Sachen der Mädchen nach Unterwäsche und Reitkleidung zu suchen. Melody war noch nie im Bad von Madame gewesen. Es war ein kleiner, mit Teppichen ausgelegter Raum mit einer Kupferwanne in der Mitte, überall Spiegel und Regale voller Tiegel und Flakons mit allen möglichen Kosmetika, Bleichpuder, Pomaden, Parfüms und Lotionen. Es gab Kämme, Bürsten, Lockenwickler, Spangen, auch Haarteile und Perücken, und über einem Diwan und einer spanischen Wand hingen jede Menge feine Kleider.
Während Melody badete, lag Odile auf dem Diwan und weihte sie in Geheimnisse der Liebeskunst und des Manneskörpers ein. Am Schluss sagte Madame: »Er wird dein Lehrmeister sein. Und glaube mir, niemand kann das besser als er.«
Zurück im Zimmer, half die Zofe Melody beim Anziehen. Der sanfte Stoff der Unterwäsche umschmeichelte ihre Beine, und das Korsett schnürte ihre Taille noch ein wenig enger und hob ihre Brüste. Madame Odile gab Anweisungen bezüglich der Frisur und wählte einen kleinen grauen Hut mit Straußenfedern aus. Die Oberbekleidung bestand aus einem Damenkleid aus Seide und einem marineblauen Wams aus doppeltem Taft mit bronzefarbenen Knöpfen. Alles passte ihr wie angegossen.
»Sieh nur, wie schmal deine Taille jetzt ist. Man kann sie mit zwei Händen umfassen.«
»So eingeschnürt kann ich nicht reiten«, jammerte Melody.
»Niemand hat gesagt, dass Schönheit und Eleganz bequem
sind, meine Liebe. Und jetzt das I-Tüpfelchen: das Parfüm. Eine Frau, die etwas auf sich hält, sollte nie ohne Parfüm vor ihren Geliebten treten. Merk dir das!«
Man hörte die Glocke an der Eingangstür und wenige Augenblicke später einen Aufruhr im Erdgeschoss. Irgendetwas hatte die Mädchen aufgescheucht.
»Es wird wohl das Präsent eingetroffen sein, das der erste Bürgermeister Ana Rita versprochen hat«, mutmaßte Madame Odile.
Man hörte Fußtritte die Treppe heraufkommen. Die Zimmertür ging auf, und vor ihnen stand Arcelia, eines der Mädchen des Hauses.
»Melody ist hier, bei Madame«, sagte sie.
»Vielen Dank«, hörte man Blackraven sagen. Melody erstarrte, als sie seine Stimme erkannte.
Sie wollte sich im Bad verstecken, doch Madame Odile hielt sie zurück. Melody nahm noch schnell den Hut ab, da stand er auch schon in der Tür.
Madame Odile stand einen Moment lang schweigend da. Dann sagte sie: »
L’Empereur
«, und
Weitere Kostenlose Bücher