Dem Winde versprochen
und auch Melody musste dagegen ankämpfen, nicht vor Erschöpfung vom Pferd zu fallen.
Am fünften Tag kam ein Sturm auf, der Wind peitschte auf sie ein und der heftige Regen durchnässte sie innerhalb von Sekunden. Fuoco kämpfte sich tapfer durch den Matsch, immer unter der Gefahr, dass sie im Schlamm versinken würden. Jimmy war ohne Bewusstsein, und Melody hatte keine Kraft mehr, ihn zu halten. Sie schaute zum Himmel auf und flehte um Erbarmen.
Als sie wieder nach vorne schaute, sah sie in weiter Ferne ein Licht.
Sie lenkte Fuoco in Richtung des Lichts, hatte das Gefühl, sie würden es nie erreichen, als wäre es nur ein Trugbild – bis sie schließlich hinter dem Regenvorhang ein alleinstehendes Haus am Wegesrand ausmachen konnte. Dort angekommen, stieg sie ab. Sie schlotterte vor Kälte, und ihre Hände waren steif. Sie musste sich an Fuocos Flanke abstützen. Dann trug sie Jimmy zum Eingang. Sie klopfe ein paar Mal an die Tür, bis ein Mann in der Tür erschien, dem es gerade noch gelang, sie aufzufangen.
Tage später, als sie das Haus wieder verlassen konnte, um ein wenig die Sonne zu genießen und frische Luft zu schnappen, bemerkte Melody, dass das Haus ockerfarben war.
Kapitel 14
Am folgenden Morgen stand Melody im Morgengrauen auf. Sie fühlte sich anders, fast fröhlich, wenngleich immer noch unsicher. Sie musste unbedingt mit Madame Odile sprechen. In der Küche machte Siloé schon Feuer und bereitete das Frühstück vor. Miora trank Mate und stopfte Socken.
»Du musst etwas essen, Kind«, sagte Siloé und reichte ihr einen Milchkaffee und Kekse.
»Ich werde Madame Odile besuchen. Soll ich ihr etwas von dir ausrichten?«
»Könnten Sie für die Mädchen ein paar Kleidungsstücke mitnehmen? Sie sind letzte Nacht fertig geworden.«
Auf dem Weg zu Madame dachte sie ständig an Roger Blackraven. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass er sich ernsthaft für sie interessierte. Was, wenn sie nur eine neue Eroberung für ihn war? Ein schmerzlicher Gedanke. In der letzten Nacht hatte sie ihm widerstehen können, aber sie wusste, dass ihr das nicht länger gelingen würde. Madame Odile würde eine Antwort wissen.
Sie sah das ockerfarbene Haus in der Ferne und trieb Fuoco an. Wie üblich ritt sie durch den Hintereingang hinein, wo die Kutsche stand und der Stall war. Sie wurde von Valdemar empfangen. Er war der Mann der schwarzen Cleofé und der Beschützer der Mädchen. Cleofé nahm sie wie immer herzlich auf und reichte ihr eine Kalebasse mit Mate. Sogleich tauchte auch Emilio auf, der attraktive, kräftige Mulatte, der als Vorarbeiter und Bote diente und ebenfalls dafür sorgte, dass die Freier nicht
über die Stränge schlugen. Man sagte ihm nach, er sei der Geliebte von Madame Odile. Sie plauderten wie früher, und Melody dachte wehmütig an die gemeinsame Zeit mit ihnen zurück. Dann sagte Emilio: »Madame wartet in ihrem Zimmer auf Sie. Sie ist gerade aufgewacht.«
Schon unzählige Male hatte Melody Madame Odiles Schlafzimmer betreten, das so überbordend und pompös war wie seine Besitzerin, mit grellen, weiblichen Farben, voller Schmuck und Flitterkram, und wo es überall nach ihrem Parfüm roch. Melody schob den Tüll des Baldachins beiseite. Madame Odile saß zwischen den Satinkissen und wartete darauf, dass man ihr das Frühstück brachte. Melody beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Wangen. Madame hieß sie, sich auf die Bettkante zu setzen.
»Was ist los? Da ist so ein Strahlen in deinen Augen. Und dieses Lächeln. Es kommt nicht oft vor, dass du lächelst, meine Liebe. Wenn diese Veränderung mal nichts mit dem Herrscher zu tun hat … «
Jetzt musste Melody erst recht lächeln. Für Madame Odile würde Roger Blackraven immer der Herrscher sein.
»Er hat mich geküsst, Madame.« Sie fuhr sich mit den Fingern über die Lippen. »So etwas habe ich noch nie gefühlt.«
»Keiner küsst wie der Herrscher! Los, spann mich nicht auf die Folter. Du musst mir alles erzählen!«
»Ich bin früh am Morgen wegen eines schlechten Traums aufgewacht, und da war er, hielt mich im Arm und tröstete mich. Ich habe mich in seinen Armen so sicher gefühlt … «
Und dann erzählte Melody ihr alles, von den Küssen auf der Alameda und in seinem Arbeitszimmer, was er zu ihr gesagt, wie er sie angesehen hatte, und von diesem außergewöhnlichen Wohlgefühl, das sie dazu gebracht hatte, ihm alles zu beichten, ohne sich vor den Konsequenzen zu fürchten.
»Aber ich kann mich nicht vor ihm
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